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ZDF-Serie „Zarah“ – Die mächtigste Frau Deutschlands …

Zarah (Claudia Eisinger)sitzt an ihrem Schreibtisch im Büro, Fotokredit: ZDF und Georges Pauly

Zarah Wolf (Claudia Eisinger) stellt die männerdominierte Redaktion auf den Kopf.
Fotocredit: ZDF und Georges Pauly

… oder nur das mächtigste Kindermädchen?

Sie fährt mit einem weißen Sportflitzer in der Redaktion vor: Zarah Wolf (Claudia Eisinger), die einflussreichste deutsche Feministin. Vom Fenster beobachten sie der Verleger der auflagenstarken Polit-Illustrierten Relevant (der Vergleich zum Stern liegt auf der Hand) Frederik Olsen und seine Tochter Jenny. Die Blicke beider sind vielsagend und könnten unterschiedlicher nicht sein. Olsen, der Wolf gerade als stellvertretende Chefredakteurin eingestellt hat, weil er „ihren Biss und ihre Schreibe“ mag, guckt fast ein wenig skeptisch. Er scheint zu ahnen, dass er sich auch einigen Ärger ins Haus holt. Jenny, die Wolf ebenfalls bereits kennt, offen, neugierig und mehr als interessiert. Die lesbische Zuschauerin erkennt schnell die Anziehung zwischen beiden Frauen. Und ist schon mittendrin in einer der aufregendsten ZDF-Eigenproduktionen der letzten Jahre.

Wir schreiben das Jahr 1973. Das Internationale Jahr der Frau liegt zwei Jahre in der Zukunft. Der blutige deutsche Herbst ereignet sich erst vier Jahre später. Helmut Schmidt ist noch Finanzminister, Willy Brandt Kanzler und Richard Nixon US-Präsident. Schnell lernt das Publikum auch die anderen Hauptfiguren der 6-teiligen ersten Staffel von Zarah kennen. Neben Wolf gehören nur wenige Frauen zur Redaktion, darunter Brigitte Jansen, Sekretärin des Chefredakteurs, und eine einzige Journalistin Karin Simonis, die meist auf Bademodenthemen, Zwischentexte und Bilduntertitel reduziert wird. Jede hat – um den Redaktionsalltag zu überleben – ihren eigenen Umgang mit dem täglichen Sexismus des Magazins und der männlichen Redaktion gefunden: Ignorieren, leugnen, mitmachen oder verschämt runter schlucken.

„Wir sprechen hier gerade über Politik“

Zarah, Hans-Peter Kerckow (Torben Liebrecht) begrüßt Zarah Wolf (Claudia Eisinger) in seinem Büro. Fotocredit: ZDF und Georges Pauly

Auf gute Zusammenarbeit! Chefredakteur Hans-Peter Kerckow (Torben Liebrecht, l.) und seine neue Stellvertreterin Zarah Wolf (Claudia Eisinger, r.) werden es nicht immer leicht miteinander haben.
Fotocredit: ZDF und Georges Pauly

Doch die Bestseller-Autorin Wolf will mehr. Sie bricht (ungeschriebene) Regeln, begehrt auf, fordert Macht und Einfluss ein. Der Sexismus zeigt sich in all seinen hässlichen Formen: vom Herrengespräch, über Klapse auf den Po, Titten-Sprüche und entsprechende Magazin-Cover bis zum Ausnutzen von Machtpositionen für sexuelle Übergriffe. Wie selbstverständlich das war und wahrgenommen wurde, zeigt eine Szene in der ersten Folge, die reißerisch treffend mit „Titel & Titten“ benannt ist. In der Kantine sitzen die Frauen an einem Tisch, die Männer an einem anderen. Wolf steuert zielsicher auf den freien Platz am Männertisch zu. Die entgeisterten Blicke der Herren zeigen wie unfassbar diese Aktion in ihren Augen ist. So etwas hat sich noch keine gewagt. Politikredakteur Dr. Schaffelgerber fordert sie unverhohlen auf wieder zu gehen: „Wir sprechen hier gerade über Politik. Also wenn Sie uns bitte entschuldigen würden.“ Wolf bleibt. Sie dringt ein ums andere Mal in die Komfortzonen aller Beteiligten ein.

Das wirkt nicht immer sympathisch. Aber gerade die Ambivalenz der Hauptfigur macht aus der Serie mehr als Einheitskost. Sie musste sich eine harte Schale zulegen. Das AutorInnen-Paar der Serie Eva und Volker Zahn macht deutlich: Sie braucht die Schale, um sich selbst zu schützen – vor den Angriffen von außen. Weil Wolf sich um die Neu-Voluntärin Jenny Olsen kümmern soll, wertet Kollege Hartwig, ein Chauvinist mit Alkoholproblemen, sie mit dem Titel „mächtigstes Kindermädchen Deutschlands“ ab. Tabu-Brecherinnen sind zu allen Zeiten alles andere als beliebt.

„Weil ich da was bewegen kann“

In ihrer Freizeit trifft sich Wolf mit feminstischen Freundinnen und Mit-Aktivistinnen. Die kritisieren sie dafür, dass sie für ein Magazin arbeitet, das nur vorgibt, fortschrittlich zu sein, und gleichzeitig „die Würde von Frauen mit Füßen tritt“. Ihre Antwort klingt so einleuchtend wie machtbewusst: „Ganz einfach, weil ich da was bewegen kann.“ Die Idee, doch lieber ein feministisches Magazin zu gründen, kontert sie:

Und mit wem soll ich das machen? Kannst Du mir eine Frau in Deutschland sagen, außer mir, die schreiben kann?

Ein Mann käme mit der Aussage noch heute als einfach nur selbstbewusst davon. Bei Wolf lässt sich die Reaktion auch überheblich lesen. Zarah wirkt an vielen Stellen erstaunlich aktuell. Erzählerisch sind es solche Situationen, das Vertrauen auf Blicke und die Aussagekraft von Bildern, die Zarah zu einer mehr als sehenswerten Serie machen. Gemischt mit viel Humor, zeitgenössischer Musik, Themen und Bildmaterial zeigt die liebevoll inszenierte Produktion, deutsches TV und Feminismus können Spaß machen und relevant sein.

ZDF ringt noch mit einer zweiten Staffel

ZDF-Serie "Zarah", Fotokredit: © ZDF und Georges Pauly

Zarah (Claudia Eisinger) und Jenny (Svenja Jung) unterhalten sich in der Redaktion.
Fotocredit: ZDF und Georges Pauly

Für eine zweite Staffel – die leider noch nicht in trockenen Tüchern ist – wäre allerdings wünschenswert, wenn die Macher*innen stärkeres Vertrauen in die Figuren setzen würden. Manchmal wirken sie etwas hölzern und das ein oder andere Loch im Plot darf künftig gern gefüllt werden. Auch die lesbische Beziehung zwischen Jenny und Wolf wird etwas lieblos abgehandelt. Gerade aus dem Konflikt Emanze und Lesbe ließe sich mehr machen. Wohingegen das Machtgefälle zwischen leitender Redakteurin und Voluntärin aufgehoben wird. Die deutlich Jüngere verfügt als einziges Verlegerkind selbst zwar über keine direkte institutionelle Macht, kann aber Einfluss nehmen und spielt ihn aus.

Dass sich die Serie Inspirationen aus der Geschichte von Deutschlands tatsächlich bekanntester Feministin der 70er Jahre und aus echten Aktionen der zweiten Frauenbewegung holt, verwundert kaum. Dennoch ist Zarah Wolf keine Alice Schwarzer. Die arbeitete zwar mit dem Stern („Wir haben abgetrieben“) zusammen, war aber nie stellvertretende Chefredakteurin.

Jetzt entdecken: ZDF-Mediathek oder als DVD

Online ist Zarah derzeit in der ZDF-Mediathek (zarah.zdf.de) zu sehen. Aber besser nicht allzu lagen warten: Folge 1 ist nur noch bis 24.11.2017 verfügbar, Folge 6 bis 5.1.2018. Seit 27. Oktober ist die Serie als DVD käuflich zu erwerben. Und wer sicherstellen will, dass Zarah eine zweite Staffel bekommt, darf gern an das ZDF schreiben.

[youtube]https://youtu.be/tpSBtq6sQO8[/youtube]

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