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phenomenelle des Tages: Olympe de Gouges

Olympe de Gouges (7.5.1748–3.11.1793)

Marie-Olympe-de-GougesDie Art und Weise wie diese bedeutende Frau aus der Geschichte fast getilgt wurde, zeigt wie wenig die meist männlichen Geschichtsschreiber der letzten Jahrhunderte bereit waren, eigenständiges weibliches Denken zu akzeptieren. Immerhin gibt es inzwischen einen französischen Film über das Leben der bahnbrechenden Frauenrechtlerin und Philosophin des 18. Jahrhunderts.

Ihre Überzeugungen machen es den Zeitgenossen schwer, sie in eine bestimmte Ecke einzuordnen. Während die Revolutionäre in Frankreich 1789 nur die Männer- und Bürgerrechte aufschreiben, fordert sie Gleiches für sich und ihre Geschlechtsgenossinnen. 1791 erklärt sie die „Rechte der Frau und Bürgerin“. Konservative und revolutionäre Männer, die sich sonst bis aufs Schafott bekämpfen, lehnen ihre Ideen Seite an Seite ab. Wahrhaft revolutionär setzt de Gouges sich dafür ein, die Sklaverei ebenso abzuschaffen wie die Todesstrafe. Sie warnt vor einem zu zentralistisch organisierten Frankreich, will einen föderalen Staat und die konstitutionelle Monarchie.

Die arme Analphabetin vom Land

Offiziell gilt der Metzger Pierre Gouze als Vater der im Süden Frankreichs geborenen Tochter einer Wäscherin, Marie Gouze. Höchstwahrscheinlich ist aber ein Landadeliger ihr leiblicher Vater, der sich weder um Mutter noch um Tochter je kümmert. Da das Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen stammt, bleibt es in seiner Jugend vermutlich mehr oder weniger Analphabetin. Mit 17 Jahren muss sie gegen ihren Willen heiraten, bekommt einen Sohn. Der Ehemann stirbt im Jahr darauf. Es wird ihre einzige Ehe bleiben. Sie macht sich auf nach Paris.

In der Hauptstadt bringt Marie sich selbst Leben und Schreiben bei, verschlingt alle Schriften, die ihr unter die Finger kommen, besucht das Theater. Mit 26 wagt sie sich, eigene Gedanken niederzuschreiben, zunächst gegen die Sklaverei. Sie legt sich den Künstlernamen Olympe de Gouges zu, veröffentlicht einen Briefroman, insgesamt 30 Theaterstücke sowie verschiedene politische Werke. Ihre Anliegen im Sinne der Frauen oder gegen eine rassistische Gesellschaft spielen auch die Hauptrolle in ihren Prosa- und Bühnentexten. Wie andere politisch aktive Frauen ihrer Zeit wird sie von ihren Gegnern diskreditiert. Ähnlich wie heute mysogyne Anti-Feminist_innen kluge Frauen verleumden, ergeht es neben de Gouges auch Mary Wollstonecraft oder Madame de Staël.

Die andere Hälfte der Welt

So sehr sie anfangs eine Anhängerin der französischen Revolution von 1789 ist, so sehr kritisiert sie die Gräueltaten, die in ihrem Namen geschehen. De Gouges gerät spätestens durch die einseitige Verfassung, die nur Männer als Bürger mit Rechten akzeptiert, in Konflikt mit einstigen Weggefährten. Sie entwirft weitergehende Rechte, die auch und gerade für Frauen gelten sollen. Entgegen der in der Verfassung verbrieften Meinungs- und Pressefreiheit wird sie verhaftet, eingekerkert und schließlich mit der Guillotine hingerichtet. Sie ahnt das voraus und schreibt kurz vorher ihr Testament mit so manch satirisch ironischem Verweis:

Mein Herz vererbe ich dem Vaterland, meine Rechtschaffenheit den Männern (die haben sie nötig), meine Seele den Frauen – das ist kein geringes Geschenk -, meine Kreativität den Stückeschreibern, die kann ihnen von Nutzen sein … meine Selbstlosigkeit vererbe ich den Ehrgeizigen, meine Philosophie den Verfolgten, meinen Geist den Fanatikern, meinen Glauben den Ungläubigen…
(Quelle: fembio.org Olympe de Gouges)

Foto: Alexander Kucharsky [Public domain], via Wikimedia Commons

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2 thoughts on “phenomenelle des Tages: Olympe de Gouges”

  1. Iljana Felski sagt:

    Hallo,

    bevor ich einen Artikel veröffentliche, würde ich ihn auf Rechtschreibfehler untersuchen.
    Auch wenn Olympe de Gouges als Phenomenelle des Tages vorgestellt wird brachte sie sich bestimmt nicht das Lesben bei. Solte Freud hier seine Finger im Spiel gehabt haben?

    Beste Grüße
    Iljana

  2. Hallo Iljana,
    danke für den freundlichen Hinweis. Ist korrigiert. Ob da Altmeister Freud oder vielleicht seine Tochter Anna im Spiel war? Wer weiß? Jedenfalls weiß ich eins, dass ich noch in meinem Leben das Wort Lesben so häufig geschrieben habe wie zu phenomenelle-Zeiten. Da rutscht es manchmal eben auch ungewollt über die Tastatur 🙂
    Sonnige Grüße
    Sabine

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