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Buchrezension: Unwegsame Pfade von Caren J. Werlinger

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Eine spannende Reise zwischen Gegenwart und Vergangenheit

Woher kommen wir? Wer oder was hat uns zu der gemacht, die wir heute sind? Welchen Einfluss hat die Vergangenheit auf unsere Gegenwart?
Zu diesen Fragen gibt es das passende Buch: „Unwegsame Pfade“ von Caren J. Werlinger. Das Buch ist aus dem Amerikanischen (Original-Titel: Turning Home) ins Deutsche übersetzt worden und im Dezember 2015 im Ylva Verlag als Taschenbuch und eBook erschienen.

Worum geht es?

Nicht jede von uns ist in Köln, Hamburg oder Berlin aufgewachsen, Städten in denen die lesbische Bewegung sichtbar ist, in denen es einfach ist, queeren Anschluss zu finden. Viele von uns sind vielleicht irgendwo auf dem Land aufgewachsen, wo sie das Gefühl hatten: Ich muss hier die einzige Frau sein, die Frauen liebt. Gibt es hier noch andere außer mir? Heute ist die Frage einfach zu beantworten: Internet an, Suchbegriff eingeben, Gleichgesinnte finden.

Aber es gab aber auch Zeiten vor dem Internet, in denen es in einer Kleinstadt nicht einfach war, queere Netzwerke zu finden. Hinzu kam, dass die Einstellung der Leute vor Ort oft wenig verständlich und konservativ war. Das Leben in Kleinstädten war und ist für junge queere Menschen nicht unbedingt ein Zuckerschlecken.

In diesem engstirnigen Kleinstadt-Milieu setzt Caren J. Werlinger Roman „Unwegsame Pfade“ an. Jules Calhoon ist die Hauptperson in dieser einfühlsamen Erzählung. Um sie, ihre Partnerin Kelli, ihre Freunde und wie Jules mit den Gespenstern aus der Vergangenheit jetzt in der Gegenwart umgeht, dreht sich der deutsche Debüt-Roman der amerikanischen Physiotherapeutin Caren J. Werlinger.
Wie ihre Mutter vor ihr, konnte Jules gar nicht schnell genug aus ihrer kleinen Heimatstadt im amerikanischen Bundesstaat Ohio rauskommen. Aber genau wie ihre Mutter kann Jules nicht für immer aus diesem engstirnigen Nest entkommen. Als ihr Großvater stirbt, kommt sie widerstrebend zurück. Sie will eigentlich nur Abschied nehmen, aber das Begräbnis und die Begegnung mit alten Freunden bringen eine Flut von Erinnerungen zurück.

Erinnerungen lassen sich nicht verdrängen

Jules hat nie mit Kelli darüber gesprochen, welche dunklen Punkte es in ihrer Vergangenheit gibt. Sie hat sie soweit wie möglich verdrängt. Die Beerdigung ihres Großvaters und die Begegnung mit den Menschen von damals zwingen Jules dazu, sich mit den Ereignissen aus ihrer Jugend auseinanderzusetzen. Kelli fühlt, dass Jules ihr dabei entgleitet. Sie versteht nicht, was geschieht, warum Jules sich so verändert und nicht mehr die ist, mit der sie meinte, glücklich zu sein. In ihrer Verzweiflung wendet sich Kelli an Donna, eine Ex-Freundin von Jules. Donna wohnt immer noch dort, wo Jules groß geworden ist. Sie wurde von Jules verlassen und kann auch heute noch nicht verstehen, warum Jules sich von ihr trennte. Donna hat nie aufgehört, Jules zu lieben und so öffnet sich eine fesselnde Geschichte rund um Mut, Hoffnung und Empathie.

Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen endgültig zusammen, als eine einsame junge Frau Jules um Hilfe bittet. Die Begegnung setzt einen Mahlstrom in Bewegung, den keine der Hauptfiguren unbeschadet übersteht.

Das Buch ist keine leichte Sommerlektüre. Es passt nicht zu einem Tag, wo mir eher nach Sonne und Spass zumute gewesen wäre. Für das Buch musste ich mir Zeit nehmen, es forderte Aufmerksamkeit. Am besten wäre es gewesen, wenn ich mehrere Stunden am Stück Zeit gehabt hätte, um in die Welt, die Caren J. Werlinger geschaffen hat, einzutauchen.

Wenn Du gehst, lässt Du etwas zurück

In der Geschichte von Caren J. Werlinger lassen die, die ihre alte Heimatstadt verlassen, etwas zurück. Manchmal sind das gebrochene Herzen, manchmal sind es Enttäuschungen in Eltern, manchmal ist es aber auch etwas, was Du selber nicht einordnen kannst oder Dir nicht eingestehen willst. Was auch immer es ist, die Erinnerung daran lässt sich selten so tief begraben, dass sie nie wieder hoch kommt. Manchmal kommen die Erinnerungen mit solcher Macht zurück, dass Du das Gefühl hast, da werden eiserne Klauen in Dich hinein gerammt, die es unmöglich machen, weiter im Alltagstrott zu bleiben.

Intensiv und lange nachhaltend

„Unwegsame Pfade“ ist eine fesselnde Geschichte, die noch lange nachhält. Die Erzählung nimmt viele Kurven und verwebt auf meisterhafte Weise die Vergangenheit und die Gegenwart der intensiv gezeichneten Hauptfiguren. Auch nach dem Lesen des Romans habe ich eine ganze Weile gebraucht, um die einzelnen Teile der Geschichte im Geist zu sortieren und auf mich wirken zu lassen.

Wahre Begebenheit

In einem Interview sagte Caren J. Werlinger, dass gerade der Teil, wo eine junge Frau sich hilfesuchend an Jules wendet, auf einer wahren Begebenheit beruht. Sie selber war vor über 15 Jahren mit ihrer Lebensgefährten auf Reisen unterwegs. In einer Kleinstadt bekam sie in einem Restaurant von einer jungen, unbekannten Frau einen Zettel zugesteckt. Sie wurde darin dringend gebeten, ihr aus der Kleinstadt herauszuhelfen. Auf dem Zettel stand eine E-Mail-Adresse. Sie war damals nicht mutig genug, ihr zu antworten. Aber aus dieser Episode entstand die Geschichte „Unwegsame Pfade“. Ein Satz aus diesem Interview hat mich besonders berührt: „Ich versuche einfach mein Mögliches, um zu helfen und einen Unterschied zu machen.“

Unbedingt Lesen

„Unwegsame Pfade“ ist ein Buch, das berührt. Es handelt vom Mut, sich mit seiner Vergangenheit auseinander zu setzen, den Schmerz auszuhalten und daran zu wachsen. Mich hat es hoffnungsvoll gestimmt, dass der menschliche Geist sich auch schmerzhaften Erinnerungen stellen kann. Wir können Stärke daraus ziehen, dass uns unsere Partner, Freunde und Familien dabei unterstützen. Wir sind nicht alleine und jeder Schritt ins Licht wird uns prägen und verändern.

Unwegsame Pfade
von: Caren J. Werlinger, deutsch: Rosa Zarb
eBook: 9,99 €
Taschenbuch: 16,90 €
Verlag: Ylva Verlag
Veröffentlicht: 26.11.2015
ISBN/EAN: 9783955335305
Anzahl Seiten: 386
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