kulturelle
Brigitte Bialojahn: Artemis
… „Wir müssen leider zahlen…“ Das Feuer, das in Luccas Augen kurz aufglühte, ließ die Kellnerin verlegen lächeln, bevor sie mit zitternden Fingern abkassierte und dann zur Theke zurückging. …
Jawoll, da ist er wieder: Brigitte Bialojahns zart geklöppelter Gartenlaubenstil à la Hedwig Courths-Mahler! Leider etwas gemäßigter als im Vorgängerroman „Kommt Zeit kommt Tod“ und auch der Plot folgt hier nicht so sauber dem Courths-Mahlerschen Handlungsschema, aber wie sollte das auch funktionieren? Deren Romanheldinnen, mal als Trotzköpfchen, mal als vom Schicksal schlecht behandelte Engelwesen durchlaufen einen Weg durch Leid und Not bis hin zum Glück; manchmal noch mit einer Läuterung des Charakters. Die wilde Lucca fand ihren Weg durch allerhand Turbulenzen und Schicksalsschläge zu Liebe und Familienglück bereits in „Kommt Zeit kommt Tod“. Als „Womanizerin“ mit ausgeprägten Donjuanismus-Zügen abenteuerlüsterte sie durch Gefahr und Leid, um schließlich in glücklicher Kleinfamilie mit Alana und der kleinen Sophie zu landen. Fertig! Und jetzt der nächste Roman? Genau, denn eine wichtige urtypische Courths-Mahler- Figur muss nachgereicht werden.
Das Familienglück ist gerade dezent getrübt; Luccas Liebste Alana ist mit Töchterchen Sophie in Urlaub gefahren und Lucca langweilt sich. Da erzählt ihr eine Freundin von einem wunderbaren Frauenhotel in Griechenland – nichts wie hin! Artemis heisst dieses Hotel, wie eine der zwölf olympischen Göttinnen. Artemis ist die Göttin der Jagd, die Hüterin der Frauen, spielt die Lyra und verwandelt Männer in Hirsche, also in Jagdopfer. Hach, da gibt´s Frauen! Strand, Sonne, Erotik – was will Lucca mehr! Auf keinen Fall einen mysteriösen tödlichen Unglücksfall, aber genau der passiert. Lucca gerät erst mittenhinein, dann unter Verdacht und schließlich in große Gefahr. Zwar nicht Artemis persönlich, aber doch eine Dea ex Machina erscheint zum Glück gerade noch rechtzeitig…
Einer der letzten Sätze des Romans : „Dein Leben hat am seidenen Faden gehangen, aber du bist noch genauso bescheuert wie vorher!“ – das hat Charme. Und charmant, vergnüglich und manchmal sogar spannend ist auch der ganze Krimi zu lesen. Brigitte Bialojahn wie auch Hedwig Courths-Mahler erreichen diesen „Lese-Flow“ vor allem mit bewährten, stereotypen Figuren und vermeiden psychologische Differenzierungen . Die Heldinnen sind äußerlich wie innerlich „schön“, ihre bösen Gegenspieler haben körperliche Mängel. Eine berühmte Gegenspieler-Figur hatte Bialojahn bisher nicht mitspielen lassen, in „Artemis“ ist sie endlich dabei: Die Alte Jungfer! Die junge Heldin bricht in den sozialen Kreis der Alten Jungfer ein und wird dort aufgenommen und gemocht. Neiderfüllt schmiedet die Jungfer (tödliche) Rachepläne und erntet den eigenen Untergang.
Kostprobe: “ … „Warst du joggen?“ Sabines Augen glitzerten bewundernd, als sie Lucca in kurzer Laufhose und Sport-Shirt in den Speiseraum eintreten sah. „Hm“, bestätigte Lucca, während sie den kleinen Kühlschrank am Buffet öffnete, um den Orangensaft herauszunehmen. Als sie sich wieder umdrehte, sah sie an einem der Tische Ulrike, Vanessa, Ruth und Karin, deren Blicke ebenfalls über ihren verschwitzten Körper glitten. … „Du gibst ja ganz schön an mit deiner Fitness.“ Donata trat überraschend aus der Vorratskammer. „Na ja, du scheinst es wohl nötig zu haben.“ Sie hob verächtlich die Brauen. … Donata baute sich vor Lucca auf und rümpfte die Nase. „Sie riecht streng.“ „Gesocks, wie du so schön sagst, ist mir auch schon aufgefallen“, sagte Lucca gefährlich ruhig. … Sie maß das Frettchengesicht mit Eiseskälte. … “
Hedwig Courths-Mahler für Lesben – Bialojahn hat das Genre erfunden und führt es konsequent weiter! Ungläubig seufzt die Rezensentin im Gartenlauben-Krimi-Glück und kramt nach ihrem Riechfläschchen.
Regine Anhamm
Brigitte Bialojahn: Artemis
Ulrike Helmer Verlag
240 Seiten
ISBN 978-3-89741-367-2