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phenomenelle des Tages: Camille Paglia

Camille Paglia (geb. 2.4.1947)

Camille Paglia 2005, © Ann Althouse, flickr.com

Camille Paglia 2005, © Ann Althouse, flickr.com, (CC BY-NC 2.0)

Für viele ist sie die Anti-Feministin schlechthin. Sie selbst sieht das anders. Ihre Aussage, sie sei sehr wohl Feministin, riss Gloria Steinem zu der Aussage hin, dies sei in etwa so als behaupte ein Nazi, er sei nicht anti-semitisch. Tatsächlich gehört Paglia wohl zu den größten Kritikerinnen moderner feminstischer Theorien. Regelmäßig legt sie sich mit fast allen führenden US-Intellektuellen wie Susan Sontag oder Judith Butler an. Dabei greift sie gern zu deftigen Formulierungen. Steinem, aber auch Kate Millet warf sie stalinistische Methoden vor, andere werden zu Political-Correctness-Divas. Auch die Ideen post-struktureller Philosophen wie Foucault bezeichnet sie als „französischen Quatsch“: „Besser Jehova als Foucault.“

Paglia entstammt einer italienischen Einwandererfamilie, ihr Vater lehrt an einer High School und später am College. Bereits als Schülerin stellt sie in Frage, entwickelt einen Sinn dafür, Diskussionen zu starten. Später sagt ihre ehemalige Lateinlehrerin:

Sie war immer kontrovers. Welche Statements auch immer (in der Klasse) vorgetragen wurden, sie musste sie herausfordern. Sie sprach wichtige Punkte an, so wie jetzt auch.

Sexualität als Schnittstelle zwischen Kunst und Natur

1972 macht sie in Yale ihren Abschluss in Philosophie und beginnt ihre akademische Karriere als Dozentin am Bennington College. Sie behauptet im Nachhinein zu dieser Zeit, die einzige offen lebende Lesbe am Campus gewesen zu sein. Heute unterrichtet und forscht sie als Professorin für Geistes- und Medienwissenschaften an der Universität der Künste in Philadelphia. Neben ihrer Lehrtätigkeit veröffentlicht sie Essays, Artikel und Bücher über Popkultur, Kunst, Literatur, Sex, Film, Feminismus und Politik. Paglia widmet sich dabei vor allem der Beziehungen zwischen Natur, Zivilisation, Kunst und Sex, den sie als Schnittstelle zwischen Natur und Kunst sieht. Sie wehrt sich sowohl dagegen, den Sex, vor allem mit seinen scheinbar dunkleren Seiten wie Aggression, Sado-Masochismus oder Voyeurismus, aus der Kultur zu verbannen, wie auch die Natur zu romantisieren. Letztere sieht sie eher als roh und ungezügelt an. Weshalb sie gesellschaftlich kontrolliert werden sollte, damit Gewalt und Lust sich nicht in Verbrechen äußern.

Aushängeschild der Pro-Sex-Bewegung

Paglia entwickelt das zweifelhafte Konzept einer Welt mit zwei Prinzipien, Ausgangspunkt: die biologischen Rollen von Mann und Frau. In ihrem Standardwerk Die Masken der Sexualität untersucht sie deren Einfluss auf verschiedene Phasen der Kultur- und Kunstgeschichte. Dabei behauptet sie, dass Männer generell eher dem apollinischen Prinzip zuneigen (konzentriert auf das Schöne, ermöglicht durch Vernunft und Logik) und damit hauptverantwortlich für künstlerische, kulturelle und wissenschaftliche Entwicklungen sind. Demgegenüber steht das chtonische Prinzip (fasziniert von der rohen Natur, vor allem der Sexualität). Am modernen Feminismus kritisiert sie besonders, dass er sich nur auf die sozialen Aspekte fokussiert, die Kunst außer Acht gelassen habe und Ästhetik vermissen lasse:

Ich bin Feministin, aber ich befreie den momentanen Feminsmus von diesen falschen Feministinnen, die ihn derzeit in einem Todesgriff halten, die gegen Pornographie usw. sind. Ich bringe, wie Madonna, einen Sinn für Schönheit und Vergnügen und Sinnlichkeit in den Feminismus zurück.

Foto: © Ann Althouse, flickr.com, Paglia in Border’s Bookstore. Madison, Wisconsin. April 27, 2005. Creative Commons Lizenz 2.0 (CC BY-NC 2.0) oder (CC BY-NC 4.0)

Text aktualisiert am 2.4.2014

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