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Lesben im Comic

Fast schon eine Spurensuche

Comics als bild- und texthaftes Medium bietet Visuelles wie ein Film und Textliches wie ein Buch. Sie sind eine wunderbare Erfindung, die viele Möglichkeiten bietet. Thematisch sind keine Grenzen gesetzt. Da ist es schon komisch, dass es fast an Spurensuche erinnert, wenn ich erfahren will, wo Lesben in Comics vorkommen.

Alltägliche Lesben in Comics

Deutsche Comic-LesbenDeutschland mit seinem Status als Diaspora im Comic-Land hatte Anfang der 90er Jahre seine großen Momente: Im Ätna-Verlag erschien 1993 der Band Ausgezeichnet mit Werken von Regine Schuch, Katrin Kremmler und Eva Wagendristel. 1998 wurde im konkursbuchverlag Claudia Gehrke der Band Dykes on Dykes veröffentlicht. Dieser Band erwuchs aus einem Internet-Projekt von Katrin Kremmler. Die Cartoonistin, Filmemacherin und Krimiautorin veröffentlicht auch heute noch Cartoons, z.B. in der l-mag.

 Japan und Amerika

Japan hat einen sehr großen Comic-Markt. Die Mangas haben einen Vorteil, um die ich diese Sparte beneide: sie haben ein eigenes Genre, die Yuris. Mit Yuri werden Geschichten bezeichnet, in denen es um Frauen und ihre lesbischen Gefühle für einander geht. Das Suchen nach Comics mit lesbischem Inhalt fällt so leichter. Ein Beispiel für einen Yuri hat die Comic-Autorin Ebine Yamaji gezeichnet, deren Manga die Vorlage für den Film Love My Life war.

Titelbild Are you my motherAmerika ist das Comic-Land der unbegrenzten Möglichkeiten. 1983 erschienen die von der Comic-Autorin Alison Bechdel erschaffenen Dykes to watch out for zum ersten Mal. Auf wikipedia wird diese Reihe sogar als die weltweit „erfolgreichste und älteste queer Comicstrips“ bezeichnet. Diese Reihe zeigt die Höhen und Tiefen lesbischen Alltagsleben auf humorvolle Weise. Bechdels neuere Werke sind autobiographisch und zeigen die persönliche Spurensuche der lesbischen Comic-Autorin: Fun Home: A Family Tragicomic (2006) und Are you my mother?: A Comic Drama (2012).

Titelbild Strangers in ParadiseEine äußerst charmante Geschichte mit einer lesbischen Hauptakteurin und einem lesbischen Happy End schrieb und veröffentlichte der Autor und Zeichner Terry Moore 1993 bis 2007: Strangers in Paradise (SiP). Die Geschichte handelt von der schwierigen Beziehung zwischen zwei Frauen, Helen Francine Peters (kurz: Francine) und Katina Marie („Katchoo“) Choovanski und ihrem Freund David Qin. Francine zählt Katchoo zu ihrer besten Freundin. Katchoo ist verliebt in Francine. David ist verliebt in Katchoo. SiP wurde bisher in sieben Sprachen übersetzt. Die deutsche Übersetzung beinhaltet den Anfang (ca. 25 Prozent) der Geschichte und ist im Thomas Tilsner Verlag erschienen. Ich würde aber dazu raten, das englischsprachige Original zu lesen und zu hoffen, dass es – da die Geschichte nun abgeschlossen ist – eine neue deutsche Übersetzung geben wird.

Lesbische Superheldinnen

Die Comic-Verlage Marvel und DC versuchen immer mal wieder mit „gay characters“ den Verkauf ihrer Hefte anzukurbeln. 2006 hatte deshalb Batwoman ihr marketingträchtiges Coming Out.

Titelbild Half a lifeEin viel stilleres Coming Out hatte zuvor die Comicfigur Renee Montoya in der Geschichte Half a Life (2003) der Reihe Gotham Central, geschrieben von Greg Rucka. Die Figur Montoya kam über eine Zeichentrick- Fernsehserie in die Comics und bereicherte dort die Batman-Welt. In der Serie Gotham Central wurde sie von Two-Face, einem Superbösewicht, geoutet. Sie wurde in den Pantheon der Superhelden aufgenommen, als sie in der Comic-Serie 52 die Aufgabe des Helden The Question übernahm. Als neue Question war Renee Montoya Hauptfigur der Miniserie Crime Bible: Five Lessons of Blood. Darin wurde auch Batwoman als Charakter eingesetzt (zwei Super-Lesben für den Preis von einem Heft ).

Scandal Savage nicht zwischen, sonder mit 2 FrauenSowieso wurde vieles denkbar und machbar in Superheldinnen-Geschichte. In der DC-Reihe Secret Six geschrieben von Gail Simone werden am Ende sogar neue Beziehungsformen möglich, als Scandal Savage, eine Superschurkin und Antiheldin, zwei Frauen heiraten möchte.

Der Marvel-Verlag steht dem in nichts nach: Mit seinen Skrulls, einer außerirdischen Lebensform, die ihre körperliche Erscheinung

Karolina Dean von Runaways und Xavin

nach ihrem Willen verändern kann, waren gleichfalls Geschichten möglich, die entgegen dem Mainstream erzählen. So erschien Xavin, ein Skrull, zuerst als schwarzer Mann in der Comic-Reihe Runaways (2003-2005, erschaffen von Brian K. Vaughn) und verwandelte sich in eine schwarze Frau, um Karolina Dean, Mitglied der SuperheldInnen-Gruppierung Runaways, eine Lesbe, zu heiraten.

Lesbische Web-Comics

Wunderbare Möglichkeiten lesbischer Charaktere in Comics bietet auch das Web. Sie waren in den 50er Jahren sehr populär: die Pulp-Fiction-Hefte, die die Leserin in eine Welt des kuriosen Anderen verführten. Es gab Geschichten um Piraten, Science Fiction und Lesben.

Titelbild Lesbian Pirates from outer spaceDa liegt es nahe, dies alles in eines zu packen und daraus eine Geschichte zu machen, über die frau lachen kann. Megan Rose Gedris schreibt und zeichnet ein solches Werk, welches online zu lesen ist.
 Das Comic heißt: I Was Kidnapped by Lesbian Pirates From Outer Space und erzählt die Geschichte von Susan Bell, einer Sekretärin, die eines Abends von einer dieser lesbischen Außerirdischen verfolgt, betäubt und gekidnappt wird.
Anfängliche Fluchtversuche werden vereitelt, dann lässt sich Susan immer stärker in die Reigen der Piratinnencrew ein.

Webseite: rosalarian.com/lesbianpirates

Weitere Web-Comics

Kris Dresen
Paige Braddock: Jane‘s World
Comic von Schradi (deutsch)

Informationsquellen zum Selbststudium

Bei Gay-League finden sich aufgelistet Figuren, die lesbisch, schwul, bi und transgender sind. Es gibt gute Hintergrundsgeschichten zu den Charakteren. Der Blog Comicbookresources bringt das Thema: Month of good LGBT-Comics

Den Comic-Blog unserer Gastautorin „Irgendeine Userin“ findet ihr hier: graphische-novellen

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One thought on “Lesben im Comic”

  1. Alison Bechdels „Fun Home“ ist 2008 auch auf deutsch herausgekommen: Fun Home: Eine Familie von Gezeichneten.
    Das Comic lässt sich echt gut lesen.

    In sieben Annäherungen/ Betrachtungsweisen erzählt Alison Bechdel die Erinnerung einer Tochter an den Vater.
    Einer lesbischen Tochter an den schwulen Vater – um es genauer auszudrücken. Denn eine gespürte (ehrliche) Beziehung kündigt sich erst an, als die Tochter ihr Coming Out mit 19 Jahren gegenüber ihren Eltern hat. Doch diese Beziehung kann nicht lange gelebt und weiter erfahren werden, da ihr Vater zwei Wochen später einen tragischen Unfall hat.

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