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SuperQueeroes zeigt erstmals LGBTI-Comic Held_innen

Plakat Ausstellung SuperQueeroes, ©Schwules*Museum Berlin

Ausstellung im Schwulen Museum* Berlin

In verschiedene Themenbereiche gegliedert, zeigt die Ausstellung „SuperQueeroes“ eine große Bandbreite des Genres LGBTI*-Comics: von Underground bis Mainstream SuperheldInnen, über Anti-HeldInnen bis zu den AlltagsheldInnen. Dazu kommt eine Prise Erotik. An einigen Stellen griff die Zensur ins Comic-Geschehen ein. Die Mischung ist in Berlin auf kleinem Raum sehr vielseitig und gehaltvoll zusammengestellt. phenomenelle Autorin Larissa ließ sich durch die SuperQueeroes führen und sprach mit den Kurator_innen.

SuperQueeroes, Blick in die Ausstellung, ©robertm.de

SuperQueeroes, Blick in die Ausstellung, ©robertm.de

Neben Exponaten aus den Hauptmärkten USA und Europa gibt es in den Räumen des Schwulen Museums Comic-Beispiele aus Asien und den Beneluxländern zu sehen. Sofort ist zu sehen, die insgesamt sieben Kurator_innen stellen geballtes Wissen aus. Fast alle Stücke werden erläutert, durchgängig zweisprachig (Deutsch/Englisch). Ihrer Leidenschaft und ihrem Engagement ist zu verdanken, dass einige echte Raritäten und Originale dabei sind und das ganze Spektrum von LGBTI* weitmöglich präsent ist.

Unterhaltung, Kunst, Politik, Geschichte und Aufklärung

Interessanterweise haben viele der Comics (auto-)biographische Hintergründe. Einer der Gründe: Von der „Hetero-Norm“ abweichende Charaktere wurden in den USA noch bis in die 2000er Jahr durch „Comic Code“ unterdrückt. Die Grafiker_innen und Autor_innen riskierten mit dem Veröffentlichen queerer Comics ihre Karriere. Denn queere Themen waren lange Zeit verboten, mindestens aber tabuisiert und unerwünscht. Wie so vieles in der LGBTI-Geschichte ist auch dieses Genre in der Öffentlichkeit nur ungenügend aufgearbeitet und das lässt Wünsche offen. Umso bedeutender ist die Tatsache, dass die Ausstellungsmacher_innen einen ersten Beitrag zur Anerkennung leisten.

Glamazonia, ©Schwules*Museum/Justin Hall

Glamazonia, © Justin Hall

Dagegen überrascht fast ein wenig die Vielfalt der Charaktere, die sich bei den SuperQueeroes wiederfinden: Hier erstrahlt „Super Tranny“ Glamazonia neben Brown Bomber, der erste farbige Comic-Held, dem auch der gelbe Hintergrund der Ausstellung huldigt, dort Julius Patzenhofer vom niederländischen Underground-Zeichner Theo van den Boogaard oder das knollennasige schwule Liebespaar Konrad & Paul. Sapphowoman trifft auf Erinni, die lesbische mordende Rächerin, North Star, der erst 2012 ganze 20 Jahre nach seinem Coming Out im Comic endlich heiraten durfte, und natürlich Batwoman – um nur einige wenige zu nennen.

Besonders spannend kommen die Stücke der Underground Bewegung „Comix“ der frühen 70er daher. Titel wie Tits & Clits, Keep on Fucking und weitere Teile aus dem Wimmin’s Comix-Kollektiv zeigen eindrücklich, wie sich die Heldinnen gegen sexistische, hetero-männliche Alltags- und Arbeitswelt zu wehren suchen.

Sapphowoman, Spinnboden e.V.

Sapphowoman, Spinnboden e.V.

Vielfalt der Charaktere, Geschichten und Hintergründe überrascht

Die US-Amerikanerin Lee Marrs, Mitgründerin der Wimmin’s Comix, kreierte mit Pudge den ersten bisexuellen Comic. Mary Wings‘ erzählt mit ihren Zeichnungen vom Coming Out. Ein Beispiel aus dem Werk Ralf Königs zeigt wie Zensur und vermeintliche „Moral“ einen Verlag in den Ruin trieben. Und das, obwohl der jahrelange Gerichtsstreit am Ende zu Gunsten der Comics ausging. Natürlich darf die schwule Ikone Tom of Finland mit der sexualisierten Maskulinität, wie sie zum Beispiel auch in Japan zu finden ist, nicht fehlen. Daneben widmet sich die kanadische Künstlerin, Filmemacherin und Zine-Autorin G.B. Jones der lesbischen Stilentlehnung. Die Ausstellung macht deutlich, es war schwierig genug, ein queres Comic überhaupt zu veröffentlichen. War diese Hürde genommen, folgten weitere Repressalien und Hürden in der Medienwelt. Die reichten von Beschlagnahmung bis zu Diffamierung.

Zu den Alltagsheldinnen gehört natürlich Alison Bechdel, eine der mittlerweile bekanntesten Vertreterinnen des Genres. Die Ausstellung verweist auf ihre Familien-Tragikkomödie Fun Home, die Fans ebenso begeistert wie Kritiker_innen. Bilder aus dem Herstellungsprozesses gewähren einmalige Einsichten in das Entstehen. Webzines sind ebenfalls vertreten – und damit ist eine unglaubliche Bandbreite an Techniken und Formaten analog zu den Inhalten. Im Mainstream werden LGBTI* Charaktere mittlerweile meist in so genannten Paralleluniversen zur eigentlichen Comicwelt getestet. Die AIDS Fighters haben genau ein solches zum Hauptinhalt und begeben sich auf eine Aufklärungsmission.

Anarcoma_Archiv Schwules Musem*

Bildnachweis: Anarcoma_Archiv Schwules Musem*

Als Sinnbild für das Nach-Franco-Spanien konzentriert sich „Anarcoma“ auf seine titelgebende Heldin. Die Detektivin ermittelt in Barcelonas Ramblas und beschreibt sich selbst als „Transvestit mit Titten“.

SuperQueeroes sehenswert – auch für „Comic Laien“

Die Liste der Namen und Beispiel, die Vielfalt mit überraschender Tiefe aus der Welt der Comics könnte noch seitenlang werden. Die Kurator_innen erzählten mit berechtigter Begeisterung von ihren Themenschwerpunkten. Die SuperQueeroes werfen einen ersten und einmaligen Blick auf das weltweite Genre und stellen die unterschiedlichen Perspektiven gut dar. Doch wollen wir auch nicht zu viel verraten – nur so viel: es gibt ein umfangreiches Rahmenprogramm und ein Besuch der Ausstellung im Schwulen* Museum Berlin lohnt sich auf jeden Fall!

Ausstellungsplakat ganz, © Swen Marcel

Ausstellungsplakat, © Schwules* Museum/Posterentwurf: Swen Marcel

Ausstellungstitel: SuperQueeroes – Unsere LGBTI*-Comic-Held_innen
Laufzeit: 22. Januar bis 26. Juni 2016

Michael Bregel, Kevin Clarke, Natasha Gross, Hannes Hacke, Justin Hall, Markus Pfalzgraf, Mario Russo
Posterentwurf: Swen Marcel,  Ausstellungsdesign: Matthias Panitz

So, Mo, Mi, Fr: 14 bis 18 Uhr
Sa: 14 bis 19 Uhr
NEU Langer Donnerstag: 14 bis 20 Uhr geöffnet
Dienstag geschlossen

7,50 € (4 € ermäßigt)
Hinweis zur Barrierefreiheit: Das gesamte Museum ist rollstuhlgerecht.
Webseite: www.schwulesmuseum.de

Di 29.03. bis Fr 01.04.2016, 10-14 Uhr – Masken, Glitzer, Kryptonit – Mit Stift und Fantasie für eine bessere Welt
14. April um 19 Uhr – „Yuri, Girls‘ Love, Shoujo Ai?! Gibt es lesbische Manga?“ Vortrag mit Dr. Verena Maser
17. April um 14 Uhr – Live Comic Zeichnen mit 123comics und Ka Schmitz
14. Mai um 19 Uhr – Ach, so ist das?! Comiclesung mit Martina Schradi

Gesamtübersicht: www.schwulesmuseum.de/veranstaltungen

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