informelle
Out-Liste zum Coming Out Day
Ja, ich bin’s – lesbische Offenheit
Seit 1988 steht der 11. Oktober im lesbischen und schwulen Kalender ganz im Zeichen des Coming Out. Die Idee des Tages geht auf den US-Amerikaner Rob Eichberg zurück, der ein Programm begründete, dass Lesben und Schwulen ermöglicht, ihr Selbstwertgefühl zu steigern. Der Tag selbst wurde gewählt, weil 1987 an diesem Tag 500.000 Menschen am zweiten Marsch für die Rechte von Lesben und Schwulen teilgenommen hatten. Seitdem soll jährlich am 11. Oktober das Coming Out zelebriert, Lesben und Schwule sichtbar werden. Keith Haring entwarf das Logo. Es zeigt eine Person, die aus dem Schrank tanzt.
Die Redaktion von phenomenelle nimmt den Coming Out Day 2012 zum Anlass, um an einige bemerkenswerte, lang erwartete, bahnbrechende oder verunglückte Coming Outs von lesbischen Prominenten zu erinnern. Happy Coming Out Day to everybody!
Martina Navratilova – Spiel, Satz und Sieg
Die aus der Tschechei nach USA emigrierte Tennisspielerin hatte keine Chance auf ein eigenes Coming Out. Im Jahr 1981 übernahm diese Aufgabe für sie der Journalist Steve Goldstein in der Zeitung New York Daily News, nachdem Martina Navratilova ihm eigentlich im Vertrauen von ihrem Verhältnis zu einer Frau erzählt hatte. Danach ging alles sehr schnell und dadurch dass ihre lesbische Sexualität bekannt wurde, verlor die 9-malige Wimbledonsiegerin viele Millionen Dollar an Werbeverträgen. Davon ließ sich Navratilova aber nicht abschrecken. Sie ging in die Offensive. Ab diesem Zeitpunkt waren ihre jeweiligen Lebensgefährtinnen auf der Zuschauertribüne zu sehen. Auf einer Demonstration 1993 in Washington D.C. sagte sie in ihrer Rede:
Was unsere Bewegung für die Gleichberechtigung am meisten braucht, ist, dass wir aus dem Verborgenen heraustreten. Outen wir uns selbst und zerstören wir damit die Gerüchte! Outen wir uns und stellen wir uns ans richtige Ufer, wie man so schön sagt.
Offizielle Seite: http://www.martinanavratilova.com
Hella von Sinnen – leidenschaftlich laut
Leidenschaftlich und laut trat Hella schon in den 80er Jahre für die Sache der Frau ein. So ließ sie 1987 als Covergirl auf dem Emma-Titel als „potente Frau“ den Sekt sprudeln. 1990 nutzte sie ihre Dankesrede bei der Bambi-Verleihung geschickt, um sich bei ihrer damaligen Lebensgefährtin zu bedanken. RTL mochte das nicht senden, die Presse griff’s trotzdem auf. Hella wurde zur ersten lesbischen oder schwulen Prominenten, die in Deutschland dazu öffentlich stand. Sie setzte sich weiter unbeirrt für LGBT-Rechte ein, obwohl sie sogar im Supermarkt bespuckt worden war. Gemeinsam mit 250 anderen Paaren bestellte sie mit Cornelia Scheel am 19.8.1992 das Aufgebot. Die Aktion Standesamt des LSVD (Lesben- und Schwulenverband Deutschland) war ein Meilenstein auf dem Weg zur Ehe-Gleichstellung. 5 Jahre später blickte Hella musikalisch auf „Mein Coming Out“ zurück, das eine „heiße Show“ war.
k.d. lang – das schönere Leben
Anfang der 90er passierte es: Nicht nur in der lesbischen Welt, sondern überall summte frau und man leise vor sich hin „Just a kiss, just a kiss, I have lived just for this“. Eine hierzulande recht unbekannte Countrysängerin aus Canada, die bereits alle Lesbenradare in Nordamerika zum Maximalausschlag brachte, eroberte mit ihrem Album Ingenue, auf dem sich eben dieser mitgesummte Song Miss Chateleine befand, die Popwelt. Als k.d.lang den Grammy im Bereich Pop-Musik für dieses Album erhielt, seufzte Madonna medienwirksam: „Elvis is back – and she is beautiful!“. lang nutzte diese Stimmung und hatte im Juni 1992 ihr Coming-Out im Amerikanischen Schwulen- und Lesbenmagazin The Advocate. Dies und ihr Bekenntnis, Vegetarierin zu sein, lösten bei ihren (vornehmlich) fleischessenden Landsleuten nicht unbedingt Begeisterung aus, aber die Kanadier_innen sind einfach zu stolz auf „ihre“ Künstlerin. Es folgt 1993 ein Photoshooting mit Cindy Crawford für die Titelgschichte des amerikanischen Glamourmagazins Vanity Fair. Das damalige Top-Model Crawford und lang stellen eine Barbierszene nach, in der das leicht bekleidete Fräulein Crawford dem dragkingmäßig anzogenen Fräulein lang den Rasierschaum aus dem Gesicht „rasiert“. Der „lesbian chic“ ist en vogue. k.d.lang bleibt aber entspannt und veräppelt in den kommenden Jahren gerne mal ihr Publikum, wenn sie gegen Ende eines Konzerts beginnt zu stammeln: „There’s something deep inside of me, I’m gonna tell you. I . . . am . . . a . . . L-L-L-Lawrence Welk fan.“
„Es gab damals schon ziemlich viel Rummel um meine Person durch mein Coming-out,“ erinnert sich k.d.lang in einem lespress-Interview 2004. „(…) Aber ich bereue es nicht. Im Gegenteil, für mich war das Coming-out eine echte Erleichterung. Es ist so wichtig, gerade wenn man künstlerisch arbeitet, und überhaupt: das Leben ist einfach schöner.“
Maren Kroymann – bewundert Butches
Die deutsche Kaberetistin, Schauspielerin und Sängerin nutzte die Zeitschrift Stern im Jahr 1993 für ihr Coming Out, in dem sie sich dort zusammen mit ihrer Lebensgefährtin ablichten ließ. Seitdem zählt sie zu den fleißigsten Berühmtheiten Deutschlands, die sich für LGBT-Rechte einsetzen. Dafür erhielt sie im Jahr 2010 auch den Augspurg-Heymann-Preis der LAG-Lesben in NRW. Auf der Verleihung in Köln hielt sie eine bemerkenswerte Rede nach einer Laudatio von Bettina Böttinger. Sie sprach dort auch über ihre Bewunderung für Butches. Ähnliches liest man auch in einem Interview im Tagesspiegel:
Ich schätze diese Lesben mit kurzen Haaren, Holzfällerhemd und gesundem Schuhwerk. Sie wurden lange verächtlich behandelt und verlacht, sie verdienen Verehrung und Dank.
Zwei Interessante Artikel über sie findet ihr online in der legendären Lespress:
http://www.lespress.de/0699/texte699/kroymann.html
http://www.lespress.de/072003/texte072003/kroymann.html
Melissa Etheridge – musikalische Mama
Hi . I´m real proud to say i´m a lesbian.
Das waren die Outingworte der US-Sängerin Melissa Etheridge auf einem Balkon beim Triangle Ball zur Amtseinführung des frisch gewählten US Präsidenten Bill Clinton im Janur 1993. Es war nicht wirklich so geplant und die damalige Lebensgefährtin von Melissa, Julie Cypher, lachte nur und meinte, dass sie am nächsten Tag mal einige Telefonanrufe machen müsse. Seitdem hat sich die Sängerin zu einer der Speerspitzen der Lesbenbewegung entwickelt. Privat gab es viele Tiefen und Höhen. Nach 2 langjährigen Partnerschaften aus denen ingesamt 4 Kinder entstanden, ist sie aktuell mit der Produzentin Linda Wallem liiert, die bei ihrer letzten Hochzeit 2003 mit Tammy Lynn Michaels deren Trauzeugin war. Es bleibt halt alles in der Familie. Nette Nebengeschichte: In den Anfangszeiten ihrer Karriere lebte Melissa Etheridge in Hollywood und hatte eine Gruppe guter Freundinnen und Freunde um sich, die bekannt sind unter den Namen: Ellen DeGeneres, k.d. lang, Bratt Pitt und Rosie O´Donnell.
Ellen DeGeneres – bahnbrechend
Vor allem in den USA gibt es bis heute ein lesbisches Leben „before and after Ellen“. Gemeint ist das Doppel-Coming-Out von Schauspielerin, Moderatorin und Komikerin Ellen DeGeneres und ihrer Serienfigur Ellen Morgan im April 1997. DeGeneres zierte das Cover des Time Magazine mit der Schlagzeile „Yep, I’m Gay“, in der zweiteiligen The Puppy Episode der Comedy-Serie Ellen verkündet die Hauptdarstellerin über die Lautsprecheranlage eines Flughafens, dass sie Frauen liebt. DeGeneres nahm ein enormes Risiko auf sich, im folgenden Jahr wurde ihre Serie gecancelt. Sie selbst tingelte zunächst wieder als Stand-Up-Comedian durch die Lande. Sogar die heterosexuelle Schauspielerin Laura Dern, in der Serie Anlass für Ellens Coming Out, fand 1 1/2 Jahre keine neuen Rollen. Ausgezahlt hat es sich trotzdem: DeGeneres gehört heute zu den beliebtesten und best-bezahlten TV-Stars der USA, sie und Ehefrau Portia DeRossi zu den lesbischen Vorzeigepaaren mit typisch lesbischen Vorlieben wie: beide leben vegan. Seit Jahren setzt sich DeGeneres für LGBT-Rechte ein. All das verschont sie aber nicht davor, noch heute homophoben Angriffen von kreuz-konservativen Organisationen ausgesetzt zu sein, denen sie in ihrer Erfolgsshow gekonnt souverän entgegnet: „My haters are my motivaters.“
Lucy Diakowska – anfangs bisexuell
Die lesbisch/bisexuelle Sängerin der nicht mehr existenten Casting Girlgroup No Angels gab von Anfang an viel Raum für Spekulationen und ließ so manchen Lesbenradar jüngerer Zuschauerinnen heftig blinken. Im August 2005 kam dann über die Bild-Zeitung die Meldung „Ja es stimmt – Es ist Liebe“. Gemeint war damals das Paar Lucy Diakowska und Juliette Schoppman (damalige DSDS-Berühmtheit). Inzwischen sitzt Lucy selber in einer Jury (Juliette Schoppmann ist laut eigner Aussage wieder Hetero) und ließ vor ein paar Monaten bei einer Filmpremiere verkünden:
Ich bin mit meiner Noch-nicht-ganz-Frau hier. Wir sind seit einem Jahr zusammen und ich bin sehr glücklich.
2010 zum Start moderierte sie auch die Hauptbühne beim Lesbenevent L-Beach.
Offizieller Diakowska Channel bei Youtube
Anne Will – ist ein Paar
Die Moderatorin Anne Will war zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Miriam Meckel DIE Schlagzeile der Bild am Sonntag, dem 18. November 2007. Tags zuvor hatte sie bei der Verleihung des Preises für Verständnis und Toleranz im jüdischen Museum den einen berühmten Satz von sich gegeben:
Ja, wir sind ein Paar.
Punkt! Auch Tage-und Wochen danach war das knappe Outing von Frau Will das Thema innerhalb und ausserhalb der lesbischen Community. Die einen waren erfreut, dass sich auch mal feminine Lesben ins Rampenlicht trauen, die auch bei Oma und Opa Anklang finden würden, die anderen stöhnten, dass dies doch nun überfällig gewesen sei und wieso das ausgerechnet in der oft mehr oder weniger versteckt homophoben Springer Presse geschehen musste. Seitdem ist viel Zeit vergangen. Frau Will und Frau Meckel sind immer noch ein Paar, haben sich aber nicht unbedingt zum lesbischen Vorzeigepaar entwickelt und halten bis auf wenige Ausnahmen ihr Privatleben unter Verschluss.
Die lesbische Songwriterin Carolina Brauckmann widmete dem Outing einen Song:
Jodie Foster – mit leisen Worten
Auch bei ihr schlug der mystische Radar schon früh aus, Gerüchte rankten sich um die Oscar-Preisträgerin seit den 80er Jahren. Mehrfach wurde sie von anderen zwangsweise geoutet. Anfang der 90er durch eine Kampagne US-amerikanischer Aktivisten. Foster war neben anderen Prominenten auf Plakaten mit dem Stempel „ABSOLUTELY QUEER“ und der Unterzeile „Oscar-Gewinnerin. Yale-Absolventin. Ex-Disney Püppchen. Dyke.“ zu sehen. 1997 veröffentlichte ihr Bruder Buddy eine unautorisierte Biographie, in der er schrieb, er habe schon immer geglaubt, seine Schwester sei lesbisch oder bisexuell. Anfang 2007 titelte das schwule OUT Magazine mit ihrer Pappmaske: „The Glass Closet“. Foster gehöre zur Kategorie „Jeder weiß es, aber niemand redet drüber“. Sie selbst schwieg zu allem, wollte ihr Privatleben, privat sein lassen, täuschte aber nie ein heterosexuelles Leben vor, bekam 2 Söhne – ohne männlichen Partner. Ende 2007 schließlich nahm sie einen Preis entgegen und bedankte sich ganz unspektakulär bei „meiner wunderschönen Cydney“, ihrer damaligen Lebensgefährtin der Filmproduzentin Cydney Bernard.
Kelly McGillis – lange Suche
Mit Der einzige Zeuge und Top Gun stieg Kelly McGillis in den 80er Jahren in die Top-Riege der Hollywood-Schauspielerinnen auf, um in den 90ern wieder zu versinken. Wenn es den mythischen Lesben-Radar wirklich gibt, so schlug er jedenfalls bei Kelly heftig aus. Ob sie nun die amishe Rachel oder die Pilotenausbilderin Charlie spielte, viele wären gern in die Rollen von Harrison Ford und Tom Cruise geschlüpft (von wegen sie hätte vorwiegend männliche Fans gehabt). Aber nichts da, McGillis heiratete zweimal, bekam 2 Töchter. Die großen Erfolge blieben aus. Den lesbischen Zuschauerinnen fiel sie erst 2000 wieder in dem etwas verdrehten Film The Monkey’s Mask auf und 2007 als Schrank-Militär-Lesbe in The L-Word. 2 Jahre später trat sie gegenüber dem Magazin she wired selbst aus dem Schrank, ein Jahr später heiratete sie Langzeitfreundin Mel Leis. Kleines Gerücht am Rande: Angeblich sollen McGillis und Jodie Foster während der Dreharbeiten zu Angeklagt eine Affäre gehabt haben.
Den Abschluss unserer Out-Liste zum Coming-Out-Day 2012 widmen wir einer Pionierin, der Schriftstellerin und Kunstsammlerin Gertrude Stein, die schon Anfang des 20. Jahrhunderts offen lesbisch lebte.
Gertrude Stein – früh erkannt
Ihr erster Roman, 1903 geschrieben, handelte bereits von einer lesbischen – vermutlich autobiografischen – Dreierbeziehung. Veröffentlicht wurde The things as they are aber erst nach ihrem Tod. Ihr berühmtester Satz „Rose ist eine Rose ist eine Rose ist ein Rose“ benannte im ursprünglichen Gedicht tatsächlich eine weibliche Rose. Nachdem sie sich mit den Thesen von Weiniger zu Geschlecht und Charakter auseinander gesetzt hatte, lebte sie ihr lesbisches Leben öffentlich. Ab 1907 bis zum ihrem Tod 1946 lebte und liebte sie mit Alice B. Toklas, die Sekretärin, Lebensgefährtin und Muse war. Gemeinsam führten sie in Paris einen Salon, junge später berühmte Künstler sowie der lesbische Zirkel rund um Natalie Barney gingen bei ihnen ein und aus.
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