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Interview mit Imke Duplitzer
Imke Duplitzer, geboren 1975 in Karlsruhe, ist vor allem durch den Fechtsport weltbekannt: als Vize-Weltmeisterin, zweifache Europa- und siebenfache Deutschlandmeisterin sprechen ihre Leistungen für sich. Als eine der aktuell noch wenigen Leistungssportler_innen geht sie mit ihrer Homosexualität seit Jahren offen um und lebt mit Ihrer Partnerin zusammen. Ihre Bekanntheit nutzt sie deshalb außerhalb der Sportwelt und ist seit Anfang des Jahres neues Vorstandsmitglied im Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD). Zudem engagiert sie sich u.a. für die Partei Die Grünen, Amnesty International und der weltweiten Kampagne „Principle 6 – gegen Homophobie im Sport“. Phenomenelle-Autorin L.Gleich unterhielt sich mit ihr in Berlin.
Imke, du bist so vielseitig aktiv, gibt es ein Leitbild, dem du persönlich folgst oder unter dem dein Engagement steht?
Naja, ich finde jeder sollte so leben dürfen, wie er möchte. Es gibt gewisse Grenzen im menschlichen Miteinander; Menschenrechte sind eben keine verhandelbare Masse, sondern es sind Werte auf dem Gemeinschaft fußen kann und sollte.
Woher kommt der Antrieb für dein Engagement? Der LSVD beispielsweise steht ganz klar für Toleranz und Gleichberechtigung von homosexuellen Menschen.
Seit ich erkannt habe, dass ich nicht heterosexuell bin, ging das Problem ja eigentlich los. Im LSVD bin ich seit 1995/96 Mitglied und bin der Meinung, dass der Verband als Interessensvertretung eine hervorragende Einrichtung ist. Der LSVD vertritt sehr souverän die Belange homosexueller Menschen und als ich gefragt wurde, Mitglied zu werden und mich um den Bereich Sport zu kümmern, war es für mich klar, dass ich das mache. Selbst mir als Leistungssportlerin wird immer wieder die Frage gestellt: „Wieso braucht ihr denn überhaupt lesbisch/schwule Sportvereine?“ Sport ist aber eben sehr körperlich und dass die Ressentiments da sehr groß sind, ist auch klar. Es ist eine gesellschaftlich gewachsene Struktur und ich bin im LSVD, auch um da etwas mehr Bewegung reinzubringen. Warten wir mal ab.
Als Schwuler oder Lesbe stört man ein Geschäftsmodell
Wie sieht es denn deine Ansicht nach im Leistungssport gestern und heute aus und wo gibt es noch Bereiche, in denen sich etwas bewegen muss?
Bewegen tut sich Vieles. Eine ganze Zeitlang war es einfach so, wenn man nicht gleich mit der Partnerin zum Ball des Sports ging, dann war es eben so. Doch wenn die Partnerin offiziell als solche deklariert ist, wird es schon schwieriger. „Gemietete Begleitungen“ für solche Abende sind nach wie vor nicht unüblich. Es ist eben nicht normal, insbesondere auch in der Sportgesellschaft. Da stößt man an Grenzen. Als homosexueller Mensch ist man im Sport am besten nicht sichtbar. Die Vermarktung ist ganz klar auf Heterosexualität ausgerichtet und als Schwuler oder Lesbe stört man quasi ein Geschäftsmodell. Daher erfolgen Coming Outs meist auch erst in höheren Positionen, wenn die Leute schon fast unkündbar sind. Ich versuche mit meinem Engagement zu zeigen: es ist völlig normal und eigentlich egal.
Wird das nicht häufig als letztes Argument missbraucht a là „das ist doch heute kein Thema mehr“?
Ja. Viel gefährlicher finde ich daher die unterschwellige Anfeindung. Früher wurde man angepöbelt, heute ist es subtiler und wieder gesellschaftsfähiger. Und das gilt für viele Randgruppen, die damit wieder als Freiwild gelten. Es sind eben nicht nur der Springerstiefelträger sondern auch die gutsituierte Mittelschicht, die dann mal sagt „na wenn er nicht so schwul wäre, wäre er ja ganz nett“. Es geht mir darum, ein gewisses Verständnis zu generieren, die Angst zu nehmen und nicht nur Klischees zu bedienen. Daher finde ich es wichtig, dass es Organisationen wie den LSVD gibt und wir ein Netzwerk bilden. Ein Verband mit tausenden Mitgliedern findet einfach mehr Gehör als mit nur hundert – insbesondere auf politischer Ebene. Daher ist die Verbandsarbeit sehr wichtig.
Es gibt noch viel Handlungsbedarf und entsprechende Projekte im LSVD
Was sind denn aktuelle Projekte und Themen, an denen ihr arbeitet?
Ende September waren wir in Belgrad zu einer Konferenz mit dem Fokus auf Netzwerkarbeit in osteuropäischen Ländern. Hier geht auch um Sport, aber eben hauptsächlich um gesellschaftliche Themen.
Aktuell ist gerade auch einiges in Arbeit im Bezug auf Ostafrika, um dort insbesondere der religiös bedingten Intoleranz zu begegnen und das aufzufangen. Grundsätzlich geht es immer noch um die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften und und und. Anfangs dachte ich, da wäre nicht mehr so viel zu tun, doch da habe ich mich sehr geirrt. Gefühlt arbeitet man eines ab und das nächste kommt auf! Es ist alles ehrenamtlich und wir versuchen auch auf Landesebene bessere Strukturen zu etablieren und kontinuierlich Nachwuchs zu finden. Im übrigen sind auch wir im LSVD darauf angewiesen, dass Informationen an uns herangetragen werden, bspw. über gesetzliche Probleme in den Ländern. Sogar in Köln kann es Jahre dauern, bis bei einer eingetragenen Partnerschaft das adoptierte Kind auf beiden Lohnsteuerkarten eingetragen ist. Es gilt also auch nach wie vor, eine gewisse Sensibilität zu schaffen in vielen Bereichen.
Um den Bogen nochmal zum Sport zu spannen: beispielsweise mit dem Rückblick auf Sotchi scheint die „Principle 6“-Kampagne aktueller denn je zu sein. Was würdest du denn jungen Sportlern und Sportlerinnen raten im Hinblick auf Ihre Homosexualität und ggf. einem Coming out?
Es gibt definitiv kein Patentrezept. Wir sind alle unterschiedlich und manch einer kann es gar nicht verstecken, andere haben keine echte Wahl. Viel Energie der Athleten_innen geht dann jedoch verloren, um eine Scheinwelt aufrecht zu erhalten; das versuchen wir auch den Verbänden und Trainern zu erklären. Auf der andere Seite muss man auch ein bestimmter Charakter sein, um sich damit entweder auseinanderzusetzen und auszuhalten, oder es geht an einem vorbei und interessiert nicht, wie die Welt vielleicht reagiert. Häufig hilft es, sich quasi Verbündete zu suchen. Bald soll es auch eine Plattform geben, über die bekannte Sportler, mich eingeschlossen, erreichbar sein sollen bei Problemen, um Hilfestellung geben zu können. Auch Ideen für strategische Projekte mit dem Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) gibt es.
Im Interview mit dem Stern hast du gesagt „Mündige Sportler stören“. Wie ist das zu verstehen?
Ein mündiger Sportler ist der Spagat, den wir insbesondere im deutschen Leistungssport hinbekommen müssen – oder eben nicht. Da müssen manche Dinge dann eben anders kommuniziert werden als gewohnt, und das ist natürlich unbequem. Unangenehme Gespräche werden ja allgemein gerne vermieden, doch was außerhalb der Formel 1 und der Bundesliga in den Verbänden passiert, interessiert die breite Masse sowieso kaum. Da ist das „Rausdrängeln“ fast schon ein Sport in sich, denn Sorgen, Nöte und Wünsche von Sportlern werden hier einfach nicht anerkannt. Es wird einfach nicht gefragt, denn sonst wäre man unter Zugzwang. Es gibt immer mehr Menschen im Leistungssport, die der Maxime nachgehen „Ball flachhalten“, und daher sind mündige Sportler_innen eher unerwünscht.
Der Charakter wird einfach nicht durch die sexuelle Orientierung definiert
Auf deiner Webseite steht an erster Stelle bei Beruf „Soldatin“ und ich habe mich gefragt, wie sich das vereinbaren lässt?
Ich bin Berufssoldatin und habe mich nach dem Abitur gegen ein Medizinstudium entschieden und bin dann zur Sportfördergruppe gegangen um mir die Zeit für den Sport zu nehmen. Ich habe meine Passion zum Beruf gemacht. Fechten ist einfach der Beste Sport! Das wird sicherlich jeder Sportler, jede Sportlerin von seinem, bzw. ihrem Sport sagen. Daher bin ich bei der Bundeswehr geblieben. Deppen gibt es überall und auch dort gab es Ausbilder, die ein Problem damit hatten. Gleichermaßen gab es andere, mit denen wir offen sprechen konnten. Ich habe mich nie in die Opferrolle begeben und habe es als Herausforderung gesehen, wenn sie mich 10 km länger haben laufen lassen. Dann bin ich eben 12 km gelaufen. Es ist zwar nicht toll, aber ich wollte da nicht nachgeben. Wenn Kollegen pöbelten, habe ich fachlich getrumpft. Es ging mir nicht darum, dass es außerhalb meiner vier Wände nicht ausschlaggebend ist, mit wem ich mein Bett innerhalb dieser vier Wände teile. Der Charakter wird einfach nicht durch die sexuelle Orientierung definiert. Genauso wenig wie ich jemanden mag oder nicht mag auf Grund der Gemeinsamkeit „Homosexualität“.
Bis zu Olympia 2016 werde ich alles geben, was drin ist
Was machst du neben deinen vielfältigen Engagements aktuell noch und worauf hättest du Lust?
2016 ist Olympia aktuell immer noch ein Ziel. Nebenbei studiere ich noch angewandte Psychologie, was ich gerne zu Ende bringen möchte um längerfristig aus dem Leistungssport auch auszusteigen. Auch den LSVD möchte ich stärker unterstützen und daher auch ein Appell an dieser Stelle: wir brauchen Mitglieder, um eine Stimme mit Gewicht in Deutschland zu haben.
Ein Ausstieg aus dem Leistungssport?
Bei uns geht die Saison jetzt im Oktober wieder los. Da haben wir ein Weltcup Turnier in Italien und das nächste in China lasse ich aus bekannten Gründen aus. Im Mai 2015 beginnt die Qualifikation für Olympia, d.h. ab da sind es 365 Tage, bei denen jeder Wettkampf zählt, um dann im Mai 2016 zu wissen, wer zu den olympischen Spielen fährt und wer nicht. Bis 2016 werde ich alles geben was drin ist!
Wunderbar. Ganz herzlichen Dank für das interessante und nette Interview!
Ich danke auch! Und zu einem noch ganz anderen Thema: ich würde mich riesig freuen, wenn es mehr der „Tolerant sind wir selber“ Spots (http://www.youtube.com/channel/UCSBel_EWbhHCR15NWUiMT1A) geben würde – die finde ich genial und sehr empfehlenswert, da sie helfen, einfach mal die Perspektive zu wechseln!
(Fotos: Jürgen Olczyk, Olaf Wolf, Norman Rembarz)