informelle
phenomenelle des Tages: Claire Waldoff
Claire Waldoff (21.10.1884–22.1.1957)
DIE Berliner-Schnauze des beginnenden 20. Jahrhunderts kommt eigentlich aus dem Ruhrpott, geboren in Gelsenkirchen. Ab 1907 erobert sie in Hemdbluse und Krawatte die Berliner Varietés-Bühnen mit ihren anzüglichen, frechen Chansons. Und bleibt bis Mitte der 30er Jahre ihr strahlender Mittelpunkt. Waldoffs Songs werden zu Gassenhauern auf den Straßen.
Die spätere Kabarett-Königin will eigentlich Ärztin werden. Sie schreibt an die Bildungsreformerin Hedwig Kettler und bittet darum, ihr Mädchengymnasium in Hannover besuchen zu dürfen. Sie ist unter den ersten Schülerinnen, die ihren Abschluss machen. Doch mit 15 Geschwistern und wenig vermögenden Elternhaus erfüllen sich ihre Träume nicht. Das Geld für das Medizin-Studium fehlt. Waldoff entdeckt ihre Liebe zur Bühne. Sie ist noch keine 20 als sie ihr erstes Engagement bekommt. Der endgültige Durchbruch kommt mit dem Umzug nach Berlin.
1917 lernt sie ihre Lebensgefährtin Olga von Roeder kennen. Gemeinsam gehören sie in den 20er Jahren zum Mittelpunkt des lesbischen Nachtlebens von Berlin. In beider Salon treffen sich Lesben zum kulturellen und politischen Austausch. Um das politische Auftrittsverbot durch die Nationalsozialisten zu umgehen, tritt Waldoff in den 30er Jahren der Reichskulturkammer bei. Den Machthabern ist sie zu kess, zu lesbisch und zu wenig weiblich. Aber das Publikum liebt sie. Die Angebote werden mit der Zeit weniger, reißen aber bis 1943 nie ganz ab. Mit ihrer Lebensgefährtin lebt Waldoff seit Kriegsbeginn in Bayern und kehrt Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre noch einmal für einige ausverkaufte Konzerte nach Berlin zurück.
Foto: By Jo Steiner (1877-1935) (Unknown) [Public domain], via Wikimedia Commons
Weitere Quellen und Links