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LSBT-Flüchtlinge brauchen Akzeptanz und gewaltfreie Räume
Fachlicher Austausch in Nordrhein-Westfalen
Seit Anfang 2015 suchten allein bei baraka, dem Treffpunkt von LSBTI* mit Migrationserfahrungen, inKöln 75 Geflüchtete Kontakt und Unterstützung. Nahezu alle Anlaufstellen in NRW berichten über Kontakte zu schwulen Jugendlichen und Erwachsenen, zu Trans*-Personen und zu Frauenpaaren, die aus Afghanistan, Syrien, Albanien, Kirgisien und anderen Ländern Zuflucht in Deutschland suchen. Deshalb luden die Landdesorganisationen der Aidshilfe, des LSVD, der LAG Lesben und des Schwulen Netzwerks am 5. November 2015 zum fachlichen Austausch ein
45 Engagierte aus den lesbischen, schwulen und trans*-Communities, Fachleute aus der Flüchtlings- und Antirassismusarbeit, von queeramnesty und aus spezialisierten Beratungseinrichtungen trafen sich in Düsseldorf, um über ihre Erfahrungen aus der Flüchtlingsarbeit mit Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans* in NRW zu berichten. Als Ergebnis verabredeten die Teilnehmenden Arbeitsgruppen, die sich zukünftig mit den Schwerpunkten der weiteren Arbeit beschäftigen werden. Gabriele Bischoff, Geschäftsführerin der LAG Lesben, richtet einen Appell an die Politik:
Dringlich ist jetzt, dass bei aller Not, die jeder und jede Flüchtende aktuell mitbringt, deutlich gemacht wird: wir dulden keine Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Rasse oder geschlechtlicher Identität. Die Schutzsuchenden müssen hier sicher sein, auch vor den Handgreiflichkeiten durch Landsleute und andere Asylsuchende und vor der Gleichgültigkeit durch die Mitarbeitenden, die hier möglicherweise weggucken. Ich wünsche mir, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes alsbald mehrsprachige Plakate in allen Einrichtungen aufhängen lässt!
Im Alltag stehen LGBT-Flüchtlinge vor speziellen Hindernissen
Das Engagement vor Ort reicht vom Bekanntmachen der Angebote via Flyern, Plakaten mit QR-Codes über Beratungsgespräche und Hilfestellungen bei Asylanträgen. In Köln gelang es sogar einen Ratsbeschluss zum Thema LSBT-Flüchtlingen zu verabschieden.
Cavid Nabiyev, LGBT-Aktivist aus Aserbaidschan, berichtete aus dem Alltag in einer Unterkunft für Geflüchtete: Manche Mitarbeiter_innen seien regelrecht Gleichgültigkeit gegenüber der Diskriminierung durch Mitbewohner_innen. Aus der Aidshilfe ist zu hören, dass Flüchtlinge etwa in Bayern zwangsgetestet werden. Sowohl aus dem Blickwinkel der Prävention wie auch der Antidiskriminierungsarbeit von Aidshilfe kann dieses Missachten der Selbstbestimmung eines Menschen nicht hingenommen werden. Viele Flüchtlinge sind traumatisiert, was eine eventuell positive Diagnose noch schwieriger für sie macht. Außerdem kann die notwendige medizinische Versorgung weder geregelt noch gewährleistet werden. Es ist sogar unklar, inwieweit Flüchtlinge aufgrund wechselnder Aufenthaltsorte überhaupt von ihrem Ergebnis in Kenntnis gesetzt werden können.
Vier Themenfelder bilden sich als Schwerpunkt heraus
Daraus ergaben sich vier Themenfelder, zu denen weiter gearbeitet werden muss. Sie dienen dazu, LSBTAktivist_innen zu unterstützen, ihnen den Erfahrungsaustausch und die Vernetzung zu ermöglichen. So können Informationen und Hilfsangebote in NRW besser koordiniert und abgestimmt werden.
Politik: Ziel ist es, sowohl politischen Stellungnahmen zu formulieren, als auch konkrete Anträge zu formulieren, damit Ehren- und Hauptamtliche schnellstmöglich in den Communities Ansprechpersonen bekommen, die fachlich und koordinierend bei Fragen zu LSBT helfen und LSBT-Flüchtlinge schnell und unbürokratisch unterstützen können.
Hilfe: Es sollen sprachsensible Angebote geschaffen werden, damit LSBT-Flüchtlinge schnell und unauffällig Hilfsangebote finden können. Wichtige Themen sind z.B.: Wohnraum, kompetente Anwält_innen, persönliche Kontakte, diskriminierungsfreie Dolmetscher_innen/Übersetzer_innen.
Sensibilisierung: Es ist dringend erforderlich, dass das Personal in den Erstaufnahmen und Unterkünften für Flüchtlinge grundsätzlich für die besondere Problematik von LSBT-Flüchtlingen sensibilisiert und qualifiziert wird. Dazu gehört auch die Kenntnis über Möglichkeiten einer gesonderten und gesicherten Unterbringung von LSBT-Flüchtlingen bei Problemen. Alle an der Betreuung von Flüchtlingen Beteiligten, sowohl Krisenstäbe, Mitarbeiter_innen und Ehrenamtler_innen in den Einrichtungen und Ämtern müssen über die Lebenssituation von LSBT auf der Flucht aufgeklärt werden, damit diese nicht willkürlich weitergeleitet werden, obwohl sie bereits Kontakt zu LSBTI*-Gruppen oder Beratungseinrichtungen vor Ort aufgenommen haben.
Informationen/Info-Pool: Es müssen Konzepte und Plattformen erarbeitet und auf den Weg gebracht werden, welche die vorhandenen Informationen zu Wohnraum, Patenschaften, private Initiativen, Koordination von Ehrenamt sammeln und zur Verfügung stellen.
Mit diesen Maßnahmen werden die Organisationen auf die NRW-Landesregierung, die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zugehen, damit schnellstmöglich Hilfs- und Unterstützungsangebote zur Verfügung gestellt werden können. Durch deren Arbeit soll die Diskriminierung und Gewalt gegen LSBT-Flüchtlinge verringert und ein gesellschaftliches Klima der Akzeptanz ihrer Lebensweisen gefördert werden.
(Grundlage des Textes Pressemitteilung von Aidshilfe NRW, LSVD NRW, LAG Lesben in NRW und Schwules Netzwerk NRW vom 12. November 2015)
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