informelle
Kristina und die Wilde 13
Zugegeben, das Bild von Michael Endes Wilder 13 hinkt ein wenig in Bezug auf die 13 CDU-Bundestagsabgeordneten, die gestern ihr Papier zur Gleichstellung von Lebenspartner_innen vorgelegt haben. Aber tun das Bilder nicht immer ein wenig? Zur Erinnerung für alle, die die Lektüre nicht mehr ganz parat haben. In dem Kinderbuch von 1959 Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer tritt die Wilde 13 zum ersten Mal auf. Sie segelt als Piratenbande, deren Heimathafen im Land, das nicht sein darf, liegt, um die Weltmeere und macht die Gewässer unsicher. Zu ihrem Geschäft gehört es, Kinder zu entführen und gegen Geld an Frau Mahlzahn, einen Drachen, zu verkaufen. Soweit genug der Nostalgie ins kindliche Lesevergnügen. Dass Endes Bücher immer auch Bezüge zur realen Welt zeigen und ein Aufruf sind, mehr Phantasie zu wagen, erwähne ich nur am Rande.
Geschickt gesetzt ist der Zeitpunkt, den die Wilde 13 wählte, um sich gestern zu erklären. Mitten ins Sommerloch und nachdem mehrere deutsche CSDs das Thema „Gleichstellung mit der Ehe“ aufgegriffen hatten, platzte die Nachricht, dass zwei mutige CDU-Frauen, eine davon Fraktionsvize Ingrid Fischbach, die Initiative ergriffen und 11 weitere Tapfere gefunden haben. Endlich soll es vorbei sein mit dem Widerstand der Konservativen, nachdem letzte Woche einmal mehr eine Gleichstellungsklatsche vom Bundesverfassungsgericht auf die Schreibtische flatterte. Endlich will die Wilde 13 einmal vorneweg segeln. Dabei verzichtet sie aber auf die Forderung nach Gleichstellung im Adoptionsrecht, um die konservativsten Kolleg_innen nicht zu überfordern. Da entführt die CDU-Bande eine der beiden letzten großen Gleichstellungsforderungen in Deutschland und will sie uns als vorwärtsgewandten modernen Sinneswandel verkaufen. Neben ein wenig Kritik ernten sie allseits freudige Unterstützung aus politischen Kreisen und auch von Teilen der Aktivist_innen. Wo bleibt Jim Knopf, der mit Lukas Prinzessin Li Si aus den Fängen des Drachen rettet und die Wilde 13 zur Strecke bringt?
Als erste CDU-Ministerin, die den Vorstoß unterstützt, taucht flugs Kristina Schröder aus den Untiefen der sommerlichen Familienpolitik auf. Und letztlich ist es erst ihre Äußerung, die mich heute Morgen wirklich auf Lummerlands höchsten Gipfel brachte. Lesben und Schwule in Lebenspartnerschaften „leben konservative Werte“. Da sitzt er nun der Halbsatz – wie ein vergifteter Apfel. Auch ich lebe seit 15 Jahren in einer Partnerschaft, ja und auch wir überlegen seit längerem, unserer Partnerschaft einen anderen rechtlichen Rahmen zu geben. Obwohl wir schon heute Verantwortung für einander übernehmen, wie Sie das betonen, Frau Schröder, aber das ist eine andere Sache. Vor allem aber leben wir zusammen, weil es da dieses klitzekleine Wörtchen Liebe gibt, das nur wenig mit konservativen Werten zu tun hat. Sondern eher dazu angetan ist, in Literatur und im echten Leben die Welt aus den konservativen Angeln zu heben.
Nein, Frau Schröder, ich lasse mich und auch meine Beziehung nicht für konservative Werte vereinnahmen. Ich will eine wirklich moderne Familienpolitik und deshalb kann es, wenn überhaupt, nur eine vollständige Gleichstellungsinitiative geben. Ehegattensplitting: Ja, Adoptionsrecht: Nein! Das ist rückwärts gewandte, im wahrsten Sinne des Wortes konservative Politik. Ohne Adoptionsrecht zementiert die steuerliche Gleichstellung das Bevorzugen ungleicher Einkommensverhältnisse in Partnerschaften. Das wäre in etwa so, als hätte Jim Knopf (er möge mir den Vergleich mit der CDU verzeihen) nur Li Si vor der Mahlzahn gerettet und die anderen Kinder dem Drachen überlassen.
Aber ein wenig muss ich Ihnen, Kristina Schröder, und der Wilden 13 auch dankbar sein; die Initiative macht mir noch einmal bewusst, dass auch „wir“ Lesben und Schwule nicht müde werden dürfen, uns in den gesellschaftlichen Diskurs über Lebensentwürfe einzumischen. Ich bin überzeugt davon, dass wir die rechtliche Gleichstellung bekommen werden, sicher nicht Morgen und vielleicht auch nicht in 12 Monaten. Aber sie wird kommen. Spätestens dann aber müssen wir Bürger_innen in Deutschland uns wieder damit auseinandersetzen, dass es ganz verschiedene Lebensmodelle gibt. Ob wir noch einmal heiraten werden, meine Partnerin und ich, oder nicht, ich bin bereit und wir sollten es alle sein, wertfrei darüber diskutieren, dass eben die Zweisamkeit nicht für jede_n der richtige Lebensentwurf ist. Ich will die Phantasie wagen, für eine Gesellschaft zu kämpfen, die anerkennt, dass der eine so wertvoll wie das andere ist – solange alle Beteiligten zufrieden und gleichberechtigt darin leben können.
Liebe Frau Schröder, auch für Frau Mahlzahn gab es Hoffnung: Sie verwandelte sich in den Goldenen Drachen der Weisheit. Wer weiß, vielleicht gewinnen auch Sie an Weisheit mit zunehmendem Alter und befreien die Wilde 13 von ihrem Irrglauben, dass es nur halbgleiche Rechte geben kann? Allein, mir fehlt die Phantasie 😉
Begeistert von dieser Initiative scheinen eh nur die Heteros, die keine Ahnung von den vielen irren Details des Lebenspartnerschaftsgesetz‘ haben. Außerdem beobachte ich seit heute früh, wie die Diskussion um das Ehegattensplitting gerade wieder hochkocht. Heteros erklären Lesben und Schwulen, was für ein Mist das ist und man doch bitte gemeinsam dagegen sein soll. Währenddessen lacht sich Kristina Schröder wahrscheinlich ins Fäustchen, weil ihr Ablenkungsmanöver so gut zu klappen scheint. Gibt erst mal die steuerliche Gleichheit, werden viele jetzt noch solidarische Heteros überhaupt nicht mehr verstehen, warum wir immer noch nicht zufrieden sind. Nach dem Motto: Wenn die Finanzen stimmen, ist es doch egal, ob das nun Ehe oder Eingetragene Lebenspartnerschaft heißt.
Ich glaube, ich muss dringend mal wieder Jim Knopf lesen 🙂
Leider zeigt die offizielle Reaktion des LSVD von gestern Abend, dass nicht nur die Heteros von der Initiative begeistert sind http://lsvd.de/1788.0.html. Fatal, ich fürchte wie du, dass eine einseitigige Gesetzesinitiative zum Splitting das Thema Adoption auf Jahre verzögern wird.
Ich glaube, ich widme mich jetzt auch wieder Jim Knopf 😉