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Gleich und gleich mit Kind? Wie Medien berichten.

Liebe Qualitätsmedien (1),

By stephaniehaynes (Author contact: Plywak) (Rare group shot) [CC-BY-SA-2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons

By stephaniehaynes (Author contact: Plywak) (Rare group shot) [CC-BY-SA-2.0], via Wikimedia Commons

bah, eigentlich habe ich überhaupt keine Lust mehr, mich mit Eurem irren Lesbenbild zu beschäftigen. Es nervt und ich habe wirklich anderes zu tun, als zum 999. Mal darauf hinzuweisen, dass eine Lesbe nicht schwul ist. Außer natürlich, es geht um „schwule Lesben“, aber die lasse ich jetzt mal außen vor, deren Identität würdet Ihr wahrscheinlich sowieso nicht verstehen, also versuche ich jetzt erst gar nicht, sie Euch zu erklären. In meinem Alter ist frau ja nicht mehr ganz so radikal. Sie fordert nicht mehr, dass sich die Welt von einem Tag auf den anderen verändert, sondern weiß, Lernprozesse brauchen Zeit. Und sie übt sich in Geduld. Sogar Euch gegenüber.

Bei der „Eingetragenen Lebenspartnerschaft“, bei der „Homoehe“, wie Ihr dieses merkwürdige gesetzliche Konstrukt immer noch zu nennen pflegt, geht es bekanntermaßen um die Ehe zweier Frauen oder zweier Männer. Ihr könnt mir das ruhig glauben, auch wenn Ihr die „Meinungsmacher“ seid und ich nur eine kleine lesbische Bloggerin. Wohlgemerkt, Mann heiratet Mann oder Frau heiratet Frau. Heiraten eine Frau und ein Mann, dann gilt das als ganze „normale“ Ehe, selbst wenn sie lesbisch und er schwul sein sollte. Ich kannte mal so ein Paar, die haben sich wegen der Rentenansprüche auf Heteroart verheiratet.

In den letzten Jahren haben einige von Euch echt dazugelernt. Auch wenn Ihr noch allzu oft das Generische Maskulinum verwendet, könnt Ihr in der Regel mittlerweile ganz gut zwischen Männlein und Weiblein, einem Bundeskanzler und einer Bundeskanzlerin unterscheiden und in den meisten Eurer Redaktionsräume ist bekannt, bei Frau Kristina Schröder handelt es sich um eine Ministerin und nicht um einen Minister.

Weshalb bloß will das bei den Homosexuellen, bei den Lesben und Schwulen, bei der Eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht ebenso gut klappen? Frau = Lesbe, Mann = Schwuler, ist doch einfach, oder? Warum kriegt Ihr das denn nicht auf die Reihe und behauptet stattdessen ständig, ich sei ein Mann, ich sei schwul, meine Liebste und ich lebten in einer Schwulenehe?

Als es um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wegen der Sukzessivadoption ging, da hieß es zum Beispiel bei einem Mitglied Eures Vereins: „Schwule: Karlsruhe stärkt Adoptionsrecht“. Geklagt hatte ein lesbisches Paar und wir erinnern uns: Frau = Lesbe = NICHT schwul. Doch weil dieses Urteil natürlich auch für schwule Paare gilt, hätte die Überschrift vielleicht noch lauten können: „Homosexuelle: Karlsruhe stärkt Adoptionsrecht.“ Denn homosexuell = lesbisch oder schwul, NICHT = nur schwul. Wie viele Gehirnzellen braucht ein Mensch eigentlich, um diese Selbstverständlichkeit zu begreifen? Anscheinend mehr als für einen Job bei Euren nötig sind.

Letztes Jahr hat das Bundessozialgericht über die Höhe des Hartz IV Satzes ein Urteil gefällt. Habt Ihr da vielleicht geschrieben: „Männer: Hartz-IV-Sätze sind verfassungsgemäß“? So ein Blödsinn wäre Euch doch nie in den Sinn gekommen, oder? Hoffe ich wenigstens. Ihr wusstet, dieses Urteil gilt für Männer und Frauen (und alle anderen Identitäten, auf die wir, wie anfangs erwähnt, hier jetzt nicht näher eingehen wollen) und entsprechend habt Ihr darüber berichtet.

Lesben sind Frauen, die laut OECD in unserem Land vollzeitbeschäftigt durchschnittlich 21,6 Prozent weniger als ihre männlichen/schwulen Kollegen verdienen. Die im Alter ungefähr 40% weniger Rente als Männer zu erwarten haben. Die in Führungspositionen mit der Lupe gesucht werden müssen. Die im mittleren Management an die berühmte gläserne Decke stoßen. Lesben sind Frauen, sind die, die in der Regel weniger Geld als schwule Männer zur Verfügung haben, deshalb Eure Erzeugnisse oder die Eurer Werbekunden seltener kaufen und darum kann man so tun, als gäbe es sie nicht, als seien sie eine marginale Minderheit? Als würde das Bundesverfassungsgericht Urteile nur für Schwule fällen, als gelte unser Grundgesetz nur für den männlichen Teil der Bevölkerung?

Besonders seit die jungen Feministinnen über Twitter und facebook Euch Feuer unter dem Hintern machen, wenn Ihr in der Berichterstattung Frauen deutlich diskriminiert, verkneift Ihr Euch viele sexistische Formulierungen oder Bilder, die vor zehn Jahren noch alltäglich gewesen wären. Ihr versucht, Überschriften und Artikel einigermaßen ausgewogen zu halten, auch weil Ihr Angst vor Shitstorms habt. Aber irgendwo müsst Ihr Euren Frust ja los werden? Wenn schon nicht bei Frauen allgemein, dann halt bei den Lesben. Entweder tut Ihr so, als gäbe es sie gar nicht oder als wären sie schwul oder sowieso nur Ausgeburten von Heterofantasien. Und wenn das Wörtchen gay mal kontextbezogen richtig übersetzt wird, dann muss wenigstens auf einem dazugehörigen Foto die Regenbogenfamilie mit den zwei Papas als „schwul“ erkennbar sein?


1) Vorsicht, dieser Begriff enthält Spuren von Ironie

 

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One thought on “Gleich und gleich mit Kind? Wie Medien berichten.”

  1. Helena sagt:

    Schöner artikel, ich schließe mich an!
    …ABER: Nicht nur Schwule und Lesben können gleichgeschlechtliche Partnerschaften eingehen.
    Schonmal was von Bisexualität gehört?
    Eine bisexuelle Frau, die sich mit einer Frau verpartnert, wird dadurch nicht automatisch lesbisch!

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