kulturelle
Schwarzenbach-Abend mit den Amigas in Köln
In der Kölner Womenpride-Woche vor dem CSD 2013 präsentierte das Netzwerk lesbischer Freiberuflerinnen und Unternehmerinnen Amigas NRW das Leben und Werk der Schriftstellerin und Journalistin Annemarie Schwarzenbach im Kölner Orangerie-Theater. „Für alle Sinne“ hieß das Motto – und es war ein Abend, an dem einfach alles stimmte.
Kenntnisreich mit viel Gefühl
Was hätte Annemarie Schwarzenbach, die kluge Beobachterin ihrer Zeit, die furchtlose Abenteurerin, die ewig Suchende und an der Welt und der Liebe letztlich Verzweifelnde wohl gedacht, wenn sie gewusst hätte, dass sich knapp 80 Jahre später über einhundert stolz und offen lebende Lesben im restlos ausverkauften Haus ihren klaren Zeitzeugenberichten, ihren fein formulierten hoch politischen Artikeln und Büchern widmen würden? Ich denke, sie hätte Hoffnung daraus schöpfen können, wie dieses reine Frauenpublikum mucksmäuschenstill und atemlos gespannt in der geschichtsträchtigen Orangerie am Volksgarten der Schauspielerin und Sprecherin Heidrun Grote lauschte, die Schwarzenbachs Lebensstationen kenntnisreich nachzeichnete und ihre Briefe und Gedanken mit viel Gefühl vortrug.
Zerrissene Biografie
Dazu gab es Fotos aus Schwarzenbachs kurzer, aber ereignisreicher Biografie von der Schweiz und der überdominanten, gleichzeitig lesbischen und doch nationalsozialistisch überzeugten (!) Mutter über Europa und ihre intellektuellen Freundeszirkel – vor allem ihre enge Beziehung zu den Geschwistern Erika und Klaus Mann ist bekannt. Der Schwerpunkt lag aber auf ihren Reisen in die USA und um die halbe Welt bis in den Mittleren Osten und schließlich nach Afrika: auf einer vergeblichen Flucht vor Depressionen und Drogen. Viele Bilder zeigen die androgyne, begehrte junge Frau, die ausschließlich Frauenbeziehungen lebte und der das „Lesbischsein“ doch nie geheuer sein durfte, allein – selten fröhlich, immer eindringlich.
Die schönen Mädchen von Kaisar
Heidrun Grotes langjähriger Bühnen- und Lesungserfahrung ist ein effektvoll nachwirkender Eindruck von dieser Frau zu verdanken. Grotes klug komprimierte Text- und Bildauswahl führte uns Schwarzenbachs journalistisches Engagement für die Freiheit und gegen Nazi-Zwänge im heimischen Europa, sehr klar vor Augen. Ihr Mut, sich am Vorabend des Zweiten Weltkriegs im eigenen Auto bis nach Afghanistan durchzuschlagen, ist inspirierend. Von dort aus berichtete sie der westlichen Welt z. B. von den „schönen Mädchen von Kaisar“, die zu Hause hinter verschlossenen Türen zwar hohe Bildung genossen und dennoch nie die Welt außerhalb ihres bergigen Hinterlandes sehen durften. Oder von den verschleierten Frauen aus Kabul, die Ende der Dreißigerjahre schon einmal ihre erst kurz zuvor errungenen Freiheiten verloren hatten. Historische Aktualität ganz nah.
Perfekter Rahmen „für alle Sinne“
Vollends perfekt wurde diese literarische Reise durch den gesamtsinnlichen Rahmen der Veranstaltung: Flamenco-Gitarristin Katja Plötz vertonte die Text- und Bildeindrücke mit einem stimmigen Musikprogramm voll Power und Sensibilität, und der Saal schwang spürbar mit. Die weiblich thematisierten Werke von Malerin Gerda Laufenberg und die Miksang-Fotografien der Düsseldorfer Fotografin Hiltrud Enders trugen wunderbar zur atmosphärisch dichten Stimmung des Abends bei. Die Pausen wurden belebt von den begeisterten Gesprächen der Frauen und vom Genuss der von den Amigas im Orangerie-Garten bereitgestellten Häppchen. Wirklich ein Abend für alle Sinne!
Fotos: Catrin Jörgens
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