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Interviewserie „Frauen an den Turntables“: Jackie Houser-Brown

Eine Frau als DJ – das ist so ähnlich wie eine Frau in der Chefetage eines Großkonzerns. Es gibt sicherlich etliche weibliche DJs, aber die wenigsten schaffen es ganz nach oben.
Der Weg dorthin ist gepflastert mit Vorurteilen und dummen Sprüchen wie “ „Hast du den Track von deinem Freund?“.

Wir wollen bekannten und weniger bekannten weiblichen DJs/DJanes mit unserer Interviewreihe „Frauen an den Turntables“ Gelegenheit geben sich zu äußern und weitere Sichtbarkeit zu bekommen.
Kennst du auch eine weibliche DJ, die wir interviewen sollten? Dann schicke uns bitte eine Info an: redaktionelle@phenomenelle.de

Jackie Houser-Brown / Coco Killa Chemistry

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Unter welchem Namen trittst du auf?

Genau genommen habe ich zwei Pseudonyme. Mein Sängerinnen- und MC-Alias ist Jackie Houser-Brown und mein Liveact-Name ist Coco Killa Chemistry. Ich weiß, beide sind nicht wirklich kurz (lacht) – Jackie Houser-Brown kristallisiert sich zugegeben gerade als Namens-Favorit heraus. Dabei ist an meinem Geburtsnamen eigentlich gar nichts auszusetzen, im Gegenteil – aber ich verrate ihn nicht, nein nein! Ich spiele gerne mit wechselnden Identitäten und Charakterseiten. Ich finde es ist weitaus natürlicher, als alles zu unterdrücken und von einer deiner anderen Seiten nur zu träumen (die wohlgemerkt jeder/jede hat!). Außerdem stehe ich auf phonetisch schöne Klänge, die gut im Mund liegen.

Jackie Houser-Brown ist einfach zu erklären: Quentin Tarantino’s Film Jackie Brown ist für mich ein Meilenstein in jeglicher Hinsicht. Es passt einfach alles: die ehemalige Russ Meyer Aktrice Pam Grear und ihre geniale Verkörperung der Jackie, die phänomenal sexy Bildästhetik, die gute Story und der fabulöse Soundtrack. „Frau“ wird auf die übelste Weise hinters Licht geführt, kommt zu sich und trickst alle aus. Dies geschieht mit so viel Gerissenheit, Charme und Herz, dass man der fiktiven Figur für solch einen Schachzug einfach nur gratulieren möchte.

Coco Killa Chemistry als Liveact-Pseudonym kam für mich deshalb in Frage, weil erst mal keiner direkt erkennen sollte ob ich weiblich, männlich, eine oder mehrere Personen bin. Mein Herz stirbt für Coconut & Coco Chanel, I am the Killa und wir sind alle eine chemische Verbindung. Et voila!

 

Seit wann machst du Musik und wie kamst du dazu?

Bestimmt schon seit 30 Jahren. Ich habe bereits im Kindergarten rumgeträllert & getanzt. Ich kann mich noch an diverse Sendungen wie z.B. Disco mit Ilia Richter erinnern, die meine Mutter immer geguckt hat. Dann ging’s mit ca. 15-16 Jahren zu den ersten Gesangsprojekten in Hardcore-, Blues-, HipHop- und TripHop-Bands. Techno und House kam ungefähr mit 18, wo ich viel als Live-MC und Sängerin im Umfeld vom legendären Liquid Sky unterwegs war.
Ich bin auch sehr froh, dass ich viel von der technoiden Aufbruchsstimmung nach der Wende in Berlin mitbekommen habe. Ich fand elektronisch-synthetische Klangerzeugung immer schon gut und so kam ich natürlich auch langsam an mein erstes analoges Equipment. Ab 2003 kamen die ersten Veröffentlichungen mit den Projekten Bootcamp Chill & Pocket Rocket. Erst Ende 2003 habe ich mir meinen ersten vernünftigen Sampler gekauft und angefangen, komplett selbst zu produzieren.
Mein oberstes Credo lautet sowieso: Musik muss sexy sein!

Welche Musikrichtung bevorzugst du als DJ/Djane?

House und Techno – mit Einflüssen aus HipHop, Ska, Reggae, genauso wie Punk & Gitarren Hardcore.

Wo spielst du überall live? 

Live habe ich bereits in Köln im Gewölbe, Heinz Gaul, Studio 674, Odonien, Schrebergarten, Bogen, Tsunami etc. gespielt. Außerdem war ich im Hamburger Waagenbau & Hafenklang, auf dem Berliner Mauerstreifen zur Fete de la Musique, zur letzten Berliner Loveparade 2003, der Ritter Butzke, in der Heeresbäckerei und auf einigen Festivals wie z.B. der Fusion im deutschen Osten. Alle Locations bekomme ich, glaube ich, nicht mehr zusammen. Ist auch nicht so wichtig..

Was war dein größter Erfolg?

– 2002: mit dem Projekt Pocket Rocket (mit Laudert.Live) auf der Fusion. Als wir abends anfangen wollten, begann es zu regnen und es gab einen Kurzschluss, da das Equipment nass wurde. Alles musste neu gestartet werden, sämtliche Sounds hatten sich verstellt, es hörte sich alles anders an und es hieß nur: perform or die! Ich musste mich mit Klotschen auf den Turntable-Tisch stellen und die Crowd unterhalten. Da habe ich erst das Ausmaß der Masse gesehen, die vor uns stand – und die Masse erkannte auch erst dann, dass jemand live singt. Wie haben uns alle gemeinsam aus dem Regen rausgetanzt. Das war der Hammer!
-2003: Veröffentlichung der Miss Chica EP auf Aromamusic.
-2004: Veröffentlichung der Pocket Rocket EP auf Lebensfreude Records.
-2012: im Kölner Schrebergarten zu unserer eigenen WIR Schwestern Open Air an meinem Geburtstag am 09.09. Schönstes Liveset & schönster Geburtstag ever!

 

Gibt es einen Unterschied zwischen einem lesbischen und einem nicht-lesbischen Publikum?

Ich bewege mich zum Glück in einer Szene, wo das überhaupt gar keine Frage ist. Und das ist auch richtig so. Das Modell, ich nenne es mal Gendertrennung, also dass jeder unter sich ist, gab es in der Anfangseuphorie des Techno und der elektronischen Tanzszene sowie gar nicht. Das war wunderbar!
Irgendwann rotteten sich die verschiedenen Geschlechter, Sexualitäten und Einstellungen doch wieder zusammen. Das machte Mitte bis Ende der 90er dann leider auch alles wieder ein bisschen spießiger.

Wobei ich auch hier sagen muss, dass eine z.B. rein lesbische oder schwule Party nicht unbedingt unspießig und frei von Zwängen ist. (..und ich meine jetzt nicht den Umgang mit offener Sexualität oder Austausch von Körperflüssigkeiten.)
Es sollte sowieso keine Frage sein, wer wen liebt. Dann wäre die Frage des Unterschiedes absolut hinfällig.
Um es freundlich auszudrücken, ist meiner Meinung nach heutzutage eine negative oder diskriminierende Einstellung zur Homo- und Transsexualität absolut obsolet!

Was liegt dir auf dem Herzen in Bezug auf Locations und/oder Veranstalter? 

Ich habe eigentlich gar nichts auszusetzen an den Veranstaltern und den Locations, die ich persönlich kenne. Vielmehr müssen die Städte und Länder so langsam mal die Augen auf machen, um wichtiges und zukünftiges Kulturgut zu sichern und zu fördern. Denn wir wissen: ohne Subkultur kein Hype – und ohne Hype keine neue Mode & Musik.

Eine Sache wäre da doch noch, die mir sehr am Herzen liegt: die Förderung von Frauen hinter den Decks, als Liveact und Producer! In den Clubs, und noch schlimmer, auf den Festivals, ist der Frauenanteil echt gering.
Wir versuchen mit unseren WIR Schwestern Veranstaltungen dem entgegen zu treten. Bei uns auf den Partys dürfen nämlich nur Frauen Musik machen. Und wenn doch ein Mann unbedingt bei uns spielen möchte, muss er sich leider in Fummel werfen und seine weibliche Seite rauskehren – ob er will oder nicht.
Kommen dürfen natürlich alle. Und es kommen wirklich immer tolle Menschen…

Hast du Vorbilder und wenn ja wen? 

Ui, das ist wirklich eine schwierige Frage. Ich finde so Vieles gut und bin wirklich von vielen musikalischen Einflüssen inspiriert. Auf jeden Fall gehört Prince dazu. Er kann einfach alles und das beeindruckt mich sehr. Genauso wie Dawn Penn, A Tribe called Quest, Minor Threat, Radiohead und Ella Fitzgerald und und und… Es gibt einfach so viel tolle Musik & Künstler auf dieser Welt!

Weitere Infos:

http://www.facebook.com/jackiehouserbrown
http://www.facebook.com/wirschwestern
http://www.myspace.com/cocokillachemistry

www.beatport.com/artist/coko-killa-chemistry

http://www.beatport.com/artist/bootcamp-chill/19428

http://www.beatport.com/release/pocket-rocket/28837

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