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Warum wir die Frauenquote brauchen
EU-Gesetzentwurf bereits 2012 vorgelegt
Sie heißen Prof. Dr. Martin Winterkorn, Dr. Johannes Teyssen oder Dr. Dieter Zetsche und sind die führenden Köpfe DAX-dotierter Unternehmen wie Volkswagen, E.on und Daimler. Bei einem genaueren Blick auf europäische Unternehmen, fällt jedoch der Mangel an Frauen in Führungspositionen gleich negativ auf. Auf diese Missstände hat die EU-Politik reagiert. Anfang vergangenen Jahres präsentierte EU-Justizkommissarin Viviane Reding einen Gesetzesentwurf, der eine feste Quote vorsieht. Diese schreibt einen Mindestanteil an Frauen in Führungsetagen von Unternehmen vor. Das Hauptziel ist dabei bis 2020 alle Aufsichtsräte in Europa mindestens zu 40 Prozent mit Frauen zu besetzen.
Für Unternehmen, die sich nicht an die Frauenquote in Aufsichtsräten halten, sieht Redings Entwurf „wirksame und abschreckende“ Sanktionen vor, die die Mitgliedsstaaten selbst festlegen. Denkbar wären dann beispielsweise Geldbußen oder Kürzungen von staatlichen Subventionen.
Europaweit bezieht sich die feste Frauenquote nicht nur auf Posten in Aufsichtsräten, sondern auch in Vorständen. Dementsprechend ist für 5000 europäische börsennotierte Unternehmen die sogenannte ‚Flexi-Quote‘ geplant. Dabei entscheiden Unternehmen selbst, wie viel Prozent ihres Vorstands Frauen ausmachen.
Entwurf entfacht heiße Debatte in Deutschland
In Deutschland sind Frauenquoten seit mittlerweile fast 35 Jahren zu finden. In Bereichen wie der Politik und im öffentlichen Dienst beträgt der Frauenanteil an den Beschäftigten insgesamt bis zu 50 Prozent. Redings Gesetzesentwurf entfachte in Deutschland zahlreiche Debatten über die Vor-und Nachteile einer Frauenquote, die kontrovers diskutiert werden. Hier einige Gründe, warum wir auf eine Frauenquote nicht verzichten können:
In den 200 größten deutschen Unternehmen sind lediglich 3,2 Prozent der Vorstandsposten an Frauen vergeben. Das verstößt klar gegen den dritten Artikel des Grundgesetzes, der besagt, dass niemand aufgrund seines Geschlechts benachteiligt werden darf.
Die Gegner halten an ihren Argumenten fest
Gegner der Frauenquote bringen ein, dass durch eine gesetzliche Einführung dieser festen Quote nur noch Frauen aufgrund des Gesetzes und ihres Geschlechts und nicht aufgrund ihrer Kompetenz eingestellt würden. Seit Jahren bereits gibt es in deutschen Unternehmen die Selbstregulierung einer Frauenquote, die die Bundesfamilienministerin der CDU, Kristina Schröder, weiterhin beibehalten will. An dem Mangel an Frauen in Führungspositionen hat dies allerdings bisher nichts verändert. Daimler, beispielsweise, beziffert den Anteil von Frauen in Führungspositionen im Unternehmen mit zwölf Prozent. Bis 2020 soll jede fünfte Stelle bei Daimler von einer Frau besetzt sein. Trotz der deutlichen EU-Richtlinie von „mindestens 40 Prozent“, käme Daimler damit nur auf die Hälfte der geforderten Quote. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) merkt an:
In den Großkonzernen hat sich fast nichts getan. Dort sind die meisten Vorstände immer noch frauenfreie Zonen mit blamablen drei Prozent Frauenanteil im Schnitt. Nach zehn Jahren fruchtloser Lippenbekenntnisse, brauchen wir echte Ziele und Zeitleisten.
Flexible Lösungen verfehlen die gewünschten Ziele
Die bisherigen Beispiele zeigen, unqualifizierte Frauen werden nicht bevorzugt, wie die Gegner der Frauenquote befürchten. Dies ist auch gar nicht das Ziel. EU-Justizkommissarin Reding bekräftigt, dass „nur bei gleicher Qualifikation dem unterrepräsentierten Geschlecht Vorrang gegeben werde, bis 40 Prozent erreicht sind (…)“. An einer Gesetzesvorlage für die Frauenquote führt momentan kein Weg vorbei. Nur so kann die ungleichmäßige Geschlechterverteilung innerhalb europäischer Führungsetagen verbessert werden.
- Durch eine Frauenquote wird die Umgebung in wirtschaftlichen Unternehmen familienfreundlicher. Bundesweit stehen momentan 220.000 Kitaplätze zur Verfügung – benötigt werden rund 780.000. Durch die Zunahme von Kitas und Betriebskindergärten sowie dem Verständnis für elterliche Pflichten, kann ein Arbeitsplatz entstehen, an dem Kinder zum Normalfall, nicht zum Störfall werden, und an dem Frauen mit Kinderwunsch darin bestärkt und nicht ausgegrenzt werden. Der Branche fällt es schwer umzudenken. Auch dabei kann die Frauenquote hilfreich sein.
- Die „Unterbesetzung“ von Frauen in Führungspositionen resultiert nicht aus einem Mangel an geeigneten Kandidatinnen. Studien zeigen, jedes Jahr machen mehr Mädchen als Jungen das Abitur. Dennoch kommen diese Mädchen in den meisten Chefetagen nicht an. Durch eine gesetzlich regulierte Frauenquote können qualifizierte Frauen entsprechend gefördert werden.
- Durch das Einführen einer festen Quote, können Frauen Vorurteilen wie beispielsweise einer mangelnden Durchsetzungskraft entgegenwirken und beweisen, dass sie sich nicht, wie oftmals angenommen, von Emotionen leiten lassen oder gar nicht in Führungspositionen wollen.
- Durch einen Anstieg von Frauen in Führungspositionen, können Unternehmen von neuen Ansichtsweisen profitieren. Die Cliquenwirtschaft alter Herrenvereine muss durchbrochen werden, neue Blickwinkel und Strategien für Konzerne müssen her.
Deutsche Regierung blockiert die EU-Richtlinie
Laut FOCUS (Nr.03/13) werden von zehn DAX-dotierten, deutschen Unternehmen nur vier einen Frauenanteil von 30 Prozent bis zum Jahr 2020 erreichen – und somit den Vorgaben aus Brüssel nicht gerecht werden. Somit ist mit „wirksamen und abschreckenden“ Sanktionen zu rechnen. Vermutlich aus diesem Grund sperrt sich die Bundesregierung mit einem Veto gegen die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote in Aufsichtsräten. Zusammen mit Ländern wie Großbritannien, Ungarn, Schweden, Tschechien, der Niederlande, Estland, der Slowakei und Lettland, die sich ebenfalls gegen eine Frauenquote ausgesprochen haben, bildet Deutschland die Mehrheit der Stimmen (127) im Ministerrat in Brüssel.
Doch wie die oben genannten Punkte zeigen, ist die Einführung einer Frauenquote ein wichtiger Emanzipationsschritt. Durch das Inkrafttreten des Gesetzes fände Gleichberechtigung nicht nur auf dem Papier, sondern tatsächlich statt.
Foto: Vivienne Reding By World Economic Forum [CC-BY-SA-2.0], via Wikimedia Commons