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Ein Nachruf: Ines Rieder (1954–2015)
Ines Rieder mit rotem Schirm und Reisegruppe lesbischer Journalistinnen, Wien 2015, © Reiner Riedler
Multitalent starb unerwartet in Wien
Die Historikerin, Autorin, Feministin und Journalistin Ines Rieder verstarb am 24. Dezember 2015 völlig unerwartet nach kurzer schwerer Krankheit in Wien.
Durch Ihre Zusammenarbeit mit QWIEN und ihrer Stadtführung durch Wien letzten Sommer, durfte Gastautorin Larissa die Österreicherin mit dem enormen Wissen persönlich kennenlernen. Kaum jemand konnte wie Ines mit so viel Begeisterung Geschichte lebendig werden lassen.
Rieders großem Interesse und reger Leidenschaft für die lesbische Seite des 20. Jahrhunderts ist es auch zu verdanken, dass viele Ereignisse und Persönlichkeiten nicht in Vergessenheit geraten sind bzw. überhaupt erst entdeckt wurden. So ermöglichte sie eine kritische Auseinandersetzung und trug gleichzeitig ein großes Stück zur Aufarbeitung bei. Ihre Leidenschaft für Geschichte und ihr lebenslanges Engagement für Frauen, LGBTI und soziale Gerechtigkeit, setzte weit über Österreich hinaus Zeichen, was sich in den weltweiten Trauerbekundungen widerspiegelt. Auch wir bedauern Ihren überraschenden Tod sehr und unser Beileid geht an die Angehörigen und Hinterbliebenen. Eine Rezension zu Rieders Buch Der andere Blick folgt zeitnah auf phenomenelle.de.
Die Verabschiedung von Ines Rieder fand am 13.1.2016 im Familienkreis statt. Anstelle von Blumengeschenken sind Spenden willkommen an das Flüchtlingsprojekt unter Die Villa.at.
Rieder gab als erste Frauen mit AIDS eine Stimme
1954 in Wien geboren, absolvierte Ines Rieder eine Ausbildung an der Lehranstalt für gehobene Sozialberufe der Caritas Wien sowie ein Studium der Politikwissenschaft und Ethnologie an der Universität Wien. 1976 ging sie als Journalistin und Übersetzerin nach Kalifornien. Bald darauf gab sie die Zeitschriften Connexion. An International Feminist Quaterly und Newsfront International mit heraus. Nachdem sie einige Jahre für Cleis Press gearbeitet hatte und Aufenthalten in Berkley, San Francisco und Brasilien, gab sie 1988 mit Patricia Ruppelt das Buch AIDS: The Women heraus – das weltweit erste Buch über Frauen und die Krankheit AIDS. 1991 erschien es in deutscher Übersetzung im Fischer Taschenbuch Verlag mit dem Titel Frauen sprechen über AIDS und war auch im deutschsprachigen Raum eine der ersten Publikationen zum Thema. Im gleichen Jahr erschien auch Rieders Aufsatz Feminism and Eastern Europe bei Attic Press, Dublin.
Nach ihrer Rückkehr nach Österreich begann Ines Rieder sich stärker für die „lesbische Geschichte“ des Landes zu interessieren. Sie veröffentlichte mit Wer mit Wem? Hundert Jahre lesbische Liebe ihre erste große historische Publikation dazu 1994. Auch engagierte sie sich sowohl in der Frauen- wie auch in der Lesben- und Schwulenbewegung sehr aktiv. Die 2000 neu aufgelegte und mehrfach übersetzte Biografie Die Geschichte der Sidonie C. (Zaglossus Verlag) entstand durch ihren Kontakt zur lesbischen Patientin Freuds, Margarete Csonka-Trautenegg, und in Zusammenarbeit mit Diana Voigt.
Die Kuratorin Ines Rieder
Neben ihren Arbeiten als Historikerin und freien Journalistin war sie anlässlich des Europride 2001 Mitherausgeberin von Der andere Blick. LesBiSchwules Leben in Österreich – einem Katalog zu einer Ausstellung die nicht stattfinden konnte oder durfte. 2005 engagierte Ines Rieder sich als Mitkuratorin für die Ausstellung Geheimsache: Leben. Schwule und Lesben im Wien des 20. Jahrhunderts. Auch im Katalog zur Ausstellung Tanz der Hände erschien eine ihrer Veröffentlichungen zu den gefeierten Tänzerinnen Tilly Losch und Hedy Pfundmayr in den 1920ern und 30ern. 2009 war sie Teil des Interviewprojektes Stonewall in Wien und auch im TV war ihre Expertise gefragt, so bspw. zu sehen im Dokumentarfilm Warme Gefühle.
Zuletzt recherchierte Ines Rieder über ldas Überleben in Kriegszeiten und lesbische U-Boote. Der Begriff U-Boote meint jüdische Frauen und Männer, denen es gelang, sich mit Hilfe von Freund_innen und Fremden zumindest zeitweise vor den Nazi-Schergen zu verstecken. Ebenso arbeitete Rieder an einer fiktionalisierten Biografie über Mopsa Sternheim, welche ab den 1920ern einem Kreis von Intellektuellen und KünstlerInnen angehörte, gemeinsam mit Annemarie Schwarzenbach sowie Klaus und Erika Mann. Das Buch soll noch 2015 im Zaglossus Verlag erscheinen.
Quellen und weiterführende Links
alle auch hier erhältlich: www.frauenbuchladen.net
www.artefakt-berlin.de/aktuelle-projekte/tanz-der-haende
Geheimsache: Leben. Schwule und Lesben im Wien des 20. Jahrhunderts:
www.hosi.or.at/geheimsachelebenschwule-und-lesben-im-wien-des-20-jahrhunderts
[youtube]https://youtu.be/zfaMFiED1JA[/youtube]
Warme Gefühle/ NGF
www.qwien.at
Zaglossus Verlag/ Nachruf von Nicole Alecu de Flers
www.zaglossus.eu/Nachruf_Ines_Rieder
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