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„Gezeiten“ adé
Die Kölner Restaurant-Kneipe „Gezeiten“ war 14 Jahre lang ein Ort der Frauen und ihrer Feiern. Am 8. Mai schloss Inhaberin Inci Edge endgültig die Türen – aber erst nach einer wahrhaft rauschenden Abschiedsparty!
Der Anblick ist so vertraut: Brechend voll der Gastraum des gemütlichen Ecklokals an der Krefelder Straße; bis weit auf die Straßenterrasse und den Bürgersteig hinaus drängen sich Trauben von Frauen – auch ein paar Männer. Überall klingen die Kölschgläser und schwirren die Gespräche. So kennen und schätzen Frauen aus Köln und Umland das „Gezeiten“ von zahllosen Karnevals-, CSD- und anderen Partys der vergangenen Jahre. Aber etwas ist doch anders an diesem Abend des 8. Mai 2013. Manch traurige Miene ist zu sehen, sogar ein bis zwei verdrückte Tränchen, und rührige Worte klingen hier und da zwischen den munteren Unterhaltungen durch. „Ich kann es noch gar nicht richtig fassen“, lautet das wohl häufigste Statement des Abends. Und es stimmt: Es kommt uns wohl allen noch etwas unwirklich vor, dass wir hier nie wieder so zusammenstehen werden.
Ohne weinendes Auge
Das „Gezeiten“ schließt. Nach 14 Jahren geht hier offiziell eine weitere Ära der Frauenorte in Köln zu Ende. Eröffnet noch im vorigen Jahrtausend hat das Restaurant Inhaberin Inci Edge „viel Freude gemacht“, wie sie – gelassen, aber doch gerührt – erklärt. Aber sie geht „durchaus nicht mit einem weinenden Auge“. Denn, so betont Inci, „jetzt ist einfach die Zeit gekommen, etwas Anderes anzufangen.“
Sie möchte als Köchin weiterarbeiten – und das kann ihr keine verdenken, denn Incis Küchenkünste sind wirklich exzellent. Viele bekunden heute Abend ihren Dank für die Gastfreundschaft der letzten Jahre und wünschen Glück für die Zukunft (auf dem Foto rechts ein Abschieds-Blumengruß der lesbischen Freiberuflerinnen Amigas NRW e. V.).
Treffpunkt der Community
Auf die Frage, was die Frauen mit dem „Gezeiten“ verbinden, kommt als häufigste Antwort das Stichwort „Karneval“. Vor allem die rappelvollen Weiberfastnachtpartys hier hatten schon eine Art legendären Status erreicht. Auch „Tanz in den Mai“ und „CSD“ kommen den meisten in den Sinn. Eben die Gelegenheiten, zu denen sich die ganze Community-Familie immer wieder versammelt und getroffen hat.
Aber nicht nur diese besonderen Feste haben das Kolorit des Lokals geprägt. Gutes und günstiges Essengehen ging immer, selbstverständlich hatten Doppelkopfrunden und Chöre ihre Lokalheimat hier, gern und oft genutzt auch die Möglichkeit zu ungestörten Vereinsabenden im hinteren Saal. „Hier konntest du hingehen und hast immer mindestens eine getroffen, die du kennst“, fasst eine Frau wehmütig die Erfahrung vieler zusammen. Zahllose Paare haben sich hier einst gefunden – einige von ihnen sind auch heute Abend dabei – manch erste Küsse wurden getauscht.
Erdbeerlimes und Maibowle
Traurig ist außer den Gästen vor allem auch das Team hinter der Theke , das in all den Jahren immer wieder hart und hingebungsvoll dafür mitgekämpft hat, das „Gezeiten“ als Ort der Frauenbegegnung zu erhalten. Tatortabende und Fußball-WM auf der großen Leinwand, selbstgemachte Chutneys, Erdbeerlimes und Maibowle – viele gute Einfälle über viele Jahre. Die Mädels geben heute noch einmal alles am Zapfhahn. Wohin es sie als Nächstes verschlägt, weiß aber noch keine von ihnen genau …
Frauenkneipenschwund
Sicher ist bislang nur, dass das Lokal nach einer kurzen Pause als Tapas-Bar weitergeführt wird. Ob sich natürlich die versammelte Lesbenschaft auch dort die Klinke in die Hand geben wird, ist fraglich. Schade auf jeden Fall! Sehr schade. „Eine Alternative in dieser Form gibt es ja leider in Köln nicht mehr“, bringt es eine Partybesucherin auf den Punkt. Aber wenn man sich die Frauenkneipen-Landschaft ansieht, ist es in wohl jeder anderen Stadt dasselbe. Sie alle bekamen den allgemeinen Umsatzrückgang der Gastrobranche zu spüren, das Hin und Her ums Rauchverbot; in häufig nur von einer Frau allein geführten Betrieben, die von deren vollem Rundumeinsatz abhingen, wurde der Druck allzu oft existenziell.
Ein Wiedersehen …
Das „Gezeiten“ und wir hatten einen angemessen rauschendes Abschiedsabend. Wiedersehen werden wir uns aber zumindest jedes Jahr zum Kölner CSD – denn die Institution „Gezeiten“-Bierstand am Heumarkt wird der Lesbengemeinde erhalten bleiben. Fest versprochen.
Abschiedsgrüße gern per E-Mail
oder auf Facebook
Fotos: Amigas NRW. e. V.
Team-Foto: Gezeiten Köln