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Zum Verhältnis von Lesben und Schwulen

Bild von Elmar Kraushaar

Der Journalist Elmar Kraushaar (Foto: Sven Gebert)

„Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen!“ – dieser Loriot‘sche Lehrsatz aus der Welt der Gegengeschlechtlichen ventiliert nichts weiter als ein temporäres Unbehagen im Zusammenprall der Geschlechter, ist aber genau so schnell wieder vergessen, wenn die Liebe dazwischenkommt. Dann wird‘s halt passend gemacht.

Von Loriot sicher nicht so gemeint, beschreibt der Satz – welch‘ hübsche Ironie – punktgenau das Verhältnis zwischen lesbischen Frauen und schwulen Männern: sie passen überhaupt nicht zusammen. Das ist von keiner Natur so vorgesehen und liegt nirgendwo in den besonderen Genen. Im Gegenteil, im Universum lesbischer Frauen begegnen sich ausschließlich lesbische Frauen, das Gleiche gilt für die aparte Welt der schwulen Männer. Und sollten ihre Kreise sich doch einmal berühren, dann sind es künstlich herbeigeführte Begegnungen, pragmatisch, berechnend, aus einer Situation heraus geschuldeter Zwang. Wenn beispielsweise die gesellschaftliche Mehrheit sie der Einfachheit halber in einen Topf schmeisst als „Homosexuelle“, wobei die Lesben hierbei deutlich den Kürzeren ziehen, sind die Schwulen in der Außenwahrnehmung doch eindeutig dominierend, Männer halt. Oder wenn die politische Korrektheit der neuen Zeit beide Gruppen miteinander verbandelt, so als zögen sie am gleichen Strang, als verbänden sie die gleichen Interessen, als hätten sie ein gemeinsames Ziel.

Ja natürlich, beide sehnen sich nach dem Ende der Diskriminierung, wollen endlich – und zurecht – Gleiche sein unter Gleichen im großen Ganzen. Und doch stehen sich beide bis dahin oft genug unversöhnlich gegenüber, schließlich ist die Unterdrückung der einen mitunter gänzlich anders als die des anderen. Die Schwulen halten sich immer ihr Hintertürchen offen in der Kumpanei mit ihren heterosexuellen Brüdern, und die Lesben ducken sich immer wieder weg unter dem Schleier der allgegenwärtigen Frauenunterdrückung. Wenn es hart auf hart kommt, liegen wieder Welten dazwischen, auch wenn man gemeinsam die Paraden bestreitet, sich zusammen unter die Lobbyisten mischt, und solidarisch miteinander ackert und tut und macht in den politischen Aktionsgruppen und Initiativen.

Wenn das alles getan ist, geht man doch auseinander, und der eine versteht überhaupt nicht die Welt der anderen und umgekehrt. Und sind sie dann wieder unter sich, ziehen sie über den anderen her: Lesben sind unattraktiv, langweilig, Spaßbremsen undsoweiter. Das Arsenal der ungezogenen Vorurteile und Klischees auf Schwulenseite ist mindestens so prall gefüllt wie das auf Lesbenseite: Sexistische Kerle allesamt, Schwanzträger, die nur an das eine denken und Frauen lächerlich machen in schrillen Fummeln. Das geht so hin und her, seit Generationen, selbst bei den jungen Leuten, die unisono schwören, dass sie das Rad der Homosexualität neu erfunden haben, begnügen sie sich dann doch nur mit dem Althergebrachten, wenn man genauer nachfragt und genauer hinschaut.

Warum ist das so? Weil wir, die Lesben und die Schwulen, die einzig richtigen Frauen und Männer sind und diesen Satz von Loriot mit Wahrheit füllen? Weil das Hingezogensein zum eigenen Geschlecht immer auch die Furcht vor dem anderen Geschlecht beinhaltet? Weil wir aus reinem Selbstschutz intolerant sind nach allen Seiten und besonders denen gegenüber, die den gleichen Selbsthass in sich tragen?

Dabei könnten wir ein Traumpaar sein, schließlich ist jeder von uns souverän und stark jenseits der vorgesehen Geschlechterrollen. Keiner von uns beiden hat es noch nötig, den einsamen Cowboy oder das Heimchen am Herd zu mimen, wir wissen um die Lächerlichkeit dieser Parts. Lesbische Frauen und schwule Männer sind ihren heterosexuellen Schwestern und Brüdern um einiges voraus und können sich wahrhaftig als Gleiche begegnen, unabhängig voneinander und ausgestattet mit dem freien Willen für ein Zusammengehen, eine Bindung – oder auch nicht.

Über Elmar Kraushaar
Der gebürtige Hesse Elmar Kraushaar lebt als freier Journalist und Schriftsteller in Berlin. Er schreibt u. a. für die Berliner Zeitung und die Frankfurter Rundschau sowie regelmäßig in der taz die Kolumne „Der homosexuelle Mann…“. Zuletzt veröffentlichte er 2011 die Biographie „Freddy Quinn – Ein unwahrscheinliches Leben“.

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