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phenomenelle des Tages: Nina Hagen

Nina Hagen (geb. 11.3.1955)

Nina Hagen 2010Nina Hagens erstes Album mit dem schlichten Titel Nina Hagen Band gehört sicher zu den Platten in meiner Sammlung (wohlgemerkt noch Vinyl), die durch Dauerabspielen die meisten Kratzer aufzuweisen hat. Die leicht überdrehte, freche und unbequeme Sängerin mit dem Kurzhaarschnitt und den dunkel geschminkten Augen schlug 1978 ein wie eine Bombe. Eigentlich ist es ihr Verdienst, dass der Punk auch in der leicht angestaubten Bundesrepublik aus der Nischenecke herauskam.

Besonders 2 Lieder der LP haben bis heute für mich eine besondere Bedeutung: das frauenbewegte Unbeschreiblich weiblich, das zur Hymne der Teenager-Nachfolge-Feministinnen wurde. Und natürlich Auf’m Bahnhof Zoo, in dem sie eine lesbische Begegnung auf dem Damenklo beschreibt. So lustvoll offen und sexy hatte noch keine vorher lesbischen Sex besungen.

Geboren wird Nina in Berlin-Ost, damals Hauptstadt der DDR, als Tochter eines Drehbuchautors und der Schauspielerin Eva-Maria Hagen. Nach der Schule will sie in die Fußstapfen ihrer Mutter treten, doch die Stasi verhindert eine Schauspielausbildung. Vermutlich, weil die Familie längst ins Visier der Obrigkeit geraten war, denn ihre Mutter hatte Mitte der 60er Liedermacher und Dissident Wolf Biermann in zweiter Ehe geheiratet. Hagen geht nach Polen, singt in Bands und studiert Gesang. Mit 19 hat sie als Liedsängerin der Band Automobil ihren ersten Hit Du hast den Farbfilm vergessen. Bis heute ein Kultsong.

1976 wird Stiefvater Biermann ausgebürgert. Hagen erklärt öffentlich ihre Solidarität mit dem Musiker und gerät endgültig ins Visier der DDR-Offiziellen. Gemeinsam mit ihrer Mutter nutzt sie 1 Jahr später die Chance und geht in den Westen. In Großbritannien lernt sie die Punkszene kennen, um dann mit 2 Alben die deutsche Musikszene aufzumischen. Mit ihrer Band gibt es schnell Krach, so dass das 2. Album Unbehagen getrennt eingespielt wird, danach ist es mit der Zusammenarbeit endgültig aus.

Seitdem widmet sich Nina Hagen unterschiedlichsten Projekten, spielt in Filmen, auf dem Theater, singt mit anderen Bands und tritt Solo auf. Keine ihrer späteren Platten erreicht aber die Bedeutung der beiden ersten Alben. Unermüdlich setzt sie sich neben der Arbeit für soziale Projekte wie ein Hospiz für brasilianische Straßenkinder und politische Ziele wie den Frieden ein. Seit mehreren Jahren unterstützt sie auch die Forderungen des Contergan-Netzwerks für mehr Entschädigung.

Vielen bleibt Nina Hagen bis heute durch aufsehenerregende Statements in Erinnerung. So manchen Talk-Gast und -Gastgeber hat sie im Laufe der Jahre an den Rand der Verzweifelung getrieben. Legendär ihre Aufklärungsstunde in der österreichischen Sendung Club 2. 1979 demonstriert sie zwar bekleidet, aber ganz explizit verschiedene Stellungen für Selbstbefriedigung. Wenn ihr die Meinungen anderer nicht passen, dann beschimpft sie Talkgäste auch schon mal als „blöde Kuh“. Spirituell begibt sich Hagen im Laufe der Jahre auf verschiedene Reisen, lässt sich von asiatischen Religionen beeinflussen, glaubt an Außerirdische und Jesus Christus. Ihre 1981 geborene Tochter Cosma Shiva gehört zu den derzeit prominentesten deutschen Schauspielerinnen zwischen 30 und 40 Jahren.

Foto: By Christliches Medienmagazin pro (Flickr: Nina Hagen) [CC-BY-2.0], via Wikimedia Commons

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