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phenomenelle des Tages: Felice Schragenheim

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Felice Schragenheim (22.3.1922–1945)

Fast zwei Jahre gelang es ihr zwischen 1942 und 1944, in Berlin unterzutauchen. Sie teilte das Schicksal mehrer tausend Jüdinnen und Juden in der Hauptstadt, die sich der Deportation durch Untertauchen widersetzten. Stets auf der Suche nach Unterkunft und Lebensmittelkarten, aller bürgerlichen Rechte beraubt, in stetiger Angst, entdeckt, deportiert oder gleich getötet zu werden. 1994 gerät die Gesichte der Felice Schragenheim ans Licht der Öffentlichkeit. Erica Fischer veröffentlicht nach den Erinnerungen von Felices ehemaliger Geliebten Lilly Wust das Buch Aimée & Jaguar. 1998 unter dem gleichen Namen verfilmt, gewann die Liebesgeschichte im Nazi-Berlin mehrere Filmpreise und internationale Anerkennung.

Das Kind Felice Schragenheim wächst als Tochter eines Zahnarztes in gutbürgerlichen Verhältnissen auf. Früh verstirbt die Mutter, der Vater 1935. Als Teenager erlebt sie wie sie und ihre jüdischen Mitbürger_innen zunehmend entrechtet werden. Nur ihre zwei Jahre ältere Schwester Irene überlebt den Nazi-Terror und den Holocaust im englischen Exil. Felice muss nach der Reichspogromnacht 1938 die Schule ohne Abitur verlassen. Sie bemüht sich, zu ihrem Onkel in die USA auszuwandern. Doch die Pläne scheitern. Ab Frühjahr 1941 muss sie zur Zwangsarbeit in einer Flaschenverschlussfabrik antreten. Eine Ausreise ist legal nun unmöglich. Im August 1942 werden ihre Großmutter und deren Bruder deportiert. Zwei Monate später erreicht auch Felice der Befehl, sich bereit zu machen. Sie täuscht einen Suizid vor und taucht ab.

Vorläufig gerettet: Das Jahr mit Aimée

Über eine Freundin lernt sie im Winter 1942 Lilly Wust kennen, eine Nazi-Mitläuferin, Frau eines Wehrmachtssoldaten und Mutter von vier Söhnen. Die beiden Frauen verlieben sich. Im Frühjahr 1943 zieht Felice zur Geliebten, der sie den Kosenamen Aimée gibt. Sie widmet ihr mehrere Gedichte. Die begabte Felice wäre gern selbst Journalistin oder Schriftstellerin. Wust lässt sich scheiden. Ein Jahr lang kann Felice sich relativ sicher fühlen. Sie arbeitet sogar für eine Nazi-Zeitung und leitet Nachrichten an den Widerstand weiter. Doch die Gestapo kommt ihr auf die Spur, am 21. August 1944 wird sie abgeholt. Wenige Tage später nach Theresienstadt deportiert, von dort am 9. Oktober nach Auschwitz und anschließend in das Konzentrationslager Groß-Rosen zur Zwangsarbeit. Im November erreichen Lilly Wust noch einige Briefe. Im Januar 1945 werden die letzten Überlebenden in Viehwaggons nach Bergen-Belsen deportiert. Vermutlich starb Felice auf dem Transport oder im Lager. Eine Erinnerungstafel vor der Gedenkstätte des ehemaligen Lagers erinnert seit einigen Jahren ebenso an sie wie ein Stolperstein vor dem ehemaligen Wohnhaus von Lilly Wust.

Nach Erscheinen des Buches meldete sich eine Freundin von Felice zu Wort, die die Erinnerungen Wusts an „ihre Jaguar“ in Frage stellte. Sie vermutete sogar, die „Hausfrau“ selbst habe Felice verraten. Die vermeintliche Liebe der beiden schilderte sie eher als Abhängigkeitsverhältnis. Bis heute bleibt ungeklärt, was an den jeweiligen Geschichten stimmt. Felice Schragenheim selbst kann für sich nicht mehr sprechen. Sie gehört mit 6 Millionen anderen Jüdinnen und Juden und hundertausenden weiteren Opfern zu denjenigen, die direkt oder durch die Folgen von Folter, Ausbeutung und Hunger durch die Tötungsmaschinerie der Nazis ermordet wurden.

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