phenomenelle

informelle

LITFEST homochrom

phenomenelle des Tages: Dorothea Erxleben

Dorothea Erxleben (13.11.1715–13.6.1762)

Dorothea ErxlebenAls sie am 6. Mai 1754 mit 39 Jahren ihr Examen als Ärztin ablegt, sind nicht nur die anwesenden Professoren „vollkommen vergnügt“, sondern auch die zuhörenden Studenten. Erstmals legt eine Frau an einer deutschen Universität die Prüfung ab. Erxleben beantwortet alle Fragen auf lateinisch mit „glücklicher Accuratesse und modester Beredsamkeit“. Trotzdem dauert es noch 150 Jahre, bis Frauen auch in Deutschland regulär ein Studium erlaubt wird.

Die Tochter des Arztes Christian Leporin zeigt sich schon als Kind wissbegierig und interessiert sich besonders für Naturwissenschaften. Sie lernt Latein und der Vater unterrichtet sie ebenso wie ihren Bruder in Medizin. Er nimmt sie zu Patient_innen mit, später vertritt sie ihn sogar in der Praxis. Gern hätte sie studiert, doch das wird ihr, einer Frau, zunächst von der Universität verweigert. Erst als der Vater Friedrich den Großen einschaltet, erhält sie 1742 eine königliche Erlaubnis. Da sie inzwischen verheiratet ist, sich um Kinder und den Haushalt kümmert, nimmt sie das Studium zunächst nicht in Anspruch. Aber sie praktiziert als Ärztin, was ihr Kritiker einbringt. Sie sei nur eine Dilettantin, halten viele ihr vor.

Nach dem Tod des Vaters übernimmt sie trotzdem dessen Praxis. Dann stirbt eine Patientin. Sie wird wegen Kurpfuscherei angezeigt. Kaum erholt von der Geburt ihres 4. Kindes entschließt sie sich, das Examen doch noch abzulegen. Sie besteht mit Bravour und lebt anschließend bis zu ihrem Tod ihr Leben weiter wie bisher. Sie kümmert sich um ihre Familie und behandelt Patient_innen. 1990 gibt die Deutsche Post im Rahmen der Reihe „Frauen der deutschen Geschichte“ eine 60-Pfennig-Briefmarke heraus, die an die Pionierin des Frauenstudiums erinnert.

1740, noch vor der königlichen Studienerlaubnis, legt Erxleben schriftlich die Gründe nieder, die Frauen von einem Studium abhalten, und legt ein flammendes Plädoyer für ein Umdenken vor:

Wenn etwas dem größten Teil der Menschheit vorenthalten wird, weil es nicht allen Menschen nötig und nützlich ist, sondern vielen zum Nachteil gereichen könnte, verdient es keine Wertschätzung, da es nicht von allgemeinem Nutzen sein kann. So führt der Ausschluss vieler von der Gelehrsamkeit zu ihrer Verachtung.
(Quelle: Wikipediaeintrag Dorothea Erxleben)

Ein Satz, der mich schmunzeln lässt, wenn ich an die teilweise absurden Argumente der Kritiker der Frauenquote denke. Heute studieren in Deutschland längst mehr Frauen als Männer Medizin. Sie machen rund zwei Drittel der Studienanfänger_innen aus.

Foto: By Bbrenig at de.wikipedia [Public domain], from Wikimedia Commons

Weitere Quellen und Links

Related Posts

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Anzeige


Anzeige LITfest homochrom 06.–08.08.2021

visuelle

  • Fernsehinfos vom 9. bis zum 22. März 2024
  • Fernsehinfos vom 24. Februar bis zum 8. März 2024
  • Radiotipp: Die Linguistin Luise F. Pusch im Gespräch
  • Buchtipp: Daniela Schenk: Mein Herz ist wie das Meer
  • Buchtipp: Elke Weigel – „Wind der Freiheit“
  • Buchtipp: „Riss in der Zeit“ von Ahima Beerlage
  • Filmtipp zum 75. Geburtstag von Ilse Kokula
  • Ilka Bessin: Abgeschminkt – Das Leben ist schön, von einfach war nie die Rede
  • Interview und Verlosung zu 25 Jahre „Krug & Schadenberg“
  • Der Schottische Bankier von Surabaya: Ein Ava-Lee-Roman
  • CD-Review: LAING sind zurück mit neuem Album
  • Interview: „Diversity muss von der Führung kommen“
  • 5 Serien für Fans starker TV-Charaktere …
  • „Danke Gott, dass ich homo bin!“ – Filmreview von „Silvana“
  • Buchrezi: „Lesbisch. Eine Liebe mit Geschichte“
  • Rückblick auf die NorthLichter
  • DVD-Rezi: „Call My Agent“ – Staffel 2
  • Berlin: Etwas andere Pride Parade am 23. Juni 2018 …
  • Buchrezi: Carolin Hagebölling „Ein anderer Morgen“
  • Ausstellungseröffnung „Lesbisches Sehen“ im Schwulen Museum Berlin
  • „The Einstein of Sex“ – Stück über Magnus Hirschfeld
  • „Here come the aliens“ – Das neue Album von Kim Wilde
  • Album-Review: Lisa Stansfield „Deeper“
  • Theater X: Deutschlands vergessene Kolonialzeit