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phenomenelle des Tages: Anna Magnani

Anna Magnani (7.3.1908–26.9.1973)

In ihrem Heimatland ist die Schauspielerin bis heute eine Ikone. Bei ihrer Beerdigung sollen Hunderttausende dem Trauerzug durch die Straßen Roms gefolgt sein. „Mamma Roma“ wird sie seit einem ihrer größten Filmerfolge Anfang der 60er Jahre liebevoll genannt, verleiht den Frauen aus dem Volk und ihren mehr oder weniger alltäglichen Problemen ein Gesicht und eine Stimme. Glamouröse Rollen und den Status des Sexsymbols überlässt die Magnani anderen wie der Loren oder der Lollo.

Vielleicht verlieh sie ihren Rollen der armen Mütter, kämpferischen Prostituierten und unglücklich Liebenden – neben dem großen Talent – auch deshalb eine solche Intensität, weil sie selbst in armen Verhältnissen aufwuchs. Unehelich geboren, von den Eltern verlassen, verbringt sie ihre frühe Jugend bei der Großmutter in einer römischen Vorstadt. Mit 9 Jahren begegnet sie erstmals ihrer Mutter, den Vater lernt sie nie kennen. Früh entdeckt sie die Lust am Schauspielen, verdient sich das Geld für die Ausbildung mit Auftritten in Nachtklubs.

Nach der Schauspielschule spielt sie Theater, auch der Film wird bald auf sie aufmerksam – zunächst mit kleinen Rollen. Sie ist 33, als sie erstmals in einer Tragikkomödie einem größeren Publikum auffällt. Der Durchbruch kommt direkt nach Ende des II. Weltkriegs mit Rossellinis Rom, offene Stadt. Magnani spielt die schwangere Widerstandskämpferin Pina, die im Kugelhagel der Wehrmacht stirbt. Obwohl sie nur in der ersten Hälfte dabei ist, wird Rosselinis Meisterwerk ein Triumph für sie und markiert den Auftakt ihrer Weltkarriere. Sie verliebt sich und beginnt eine stürmische Affäre mit dem Regisseur, dreht weitere Erfolgsfilme und sammelt Preise wie den Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen in Venedig.

In die Schlagzeilen gerät sie als Rosselini sie wegen Ingrid Bergmann verlässt. Magnani ist am Boden zerstört, sie spielt dagegen an, folgt in den 50er Jahren dem Ruf nach Hollywood. Für ihre Rolle in der Tennessee Williams Verfilmung Die tätowierte Rose erhält sie 1956 als erste Italienerin überhaupt einen Oscar. Der Autor hatte die Hauptfigur extra für sie geschrieben.

Erdverbunden und zugleich wie ein Vulkan tritt die Magnani in ihren Filmen auf, überrascht die Zuschauer_innen dabei immer wieder mit ihrer erstaunlich sanften und melodischen Gesangsstimme. Die Kritiker und ihre Bewunderer überschlagen sich und sprechen in den höchsten Tönen von ihr. Rossellini nennt sie „das größte schauspielerische Genie seit Eleonora Duse“, andere „leidenschaftlich, angstfrei und aufregend“. Immer wieder wird sie als „Die Wölfin“ charakterisiert. Sie will nicht schön aussehen, gewinnt aber wie kaum eine andere Schauspielerin mit ihrem ausdrucksvollen Gesicht eine ganz eigene ursprüngliche Schönheit.

Anfang der 60er kehrt sie Hollywood den Rücken. 1962 gibt sie mit der Rolle der Prostituierten, die für ihren Sohn um eine bürgerliche Existenz kämpft, in Pasolinis Mamma Roma eine ihre grandiosesten Vorstellungen. Danach zieht sie sich mehr auf das Theater zurück. 1971 spielt sie in ihrem letzten Film Roma von Fellini sich selbst, setzt sich ein letztes Denkmal. 2 Jahre später stirbt sie an Krebs, Italien trauert. Beigesetzt wird sie im Familiengrab Rossellinis, mit dem sie sich längst versöhnt hatte.

Foto: Publicity Foto 1969 von Wikimedia Commons

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