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Nein zur Homo-Ehe – Ja zur #Ehefüralle

Lesbisches Paar, Fotocredit: © Jess Doenges

Menschenrechte gelten für Lesben und Schwule

Von der Aachener Zeitung bis zur Zeit, die deutsche Presselandschaft überschlug sich in der letzten Woche mit Artikeln zur so genannten Homo-Ehe. Der Tenor landauf und landab meint es überwiegend gut mit uns. Nach dem die Ir_innen am vorletzten Samstag laut und kräftig mit JA für #marriageequality abstimmten und das Berliner GroKobinett am Mittwoch endgültig nur 23 Einzel-Details zur Gleichstellung der Lebenspartnerschaft regeln wollte, gewinnt das Thema „Eheöffnung“ auch in Deutschland an Fahrt. Der Hashtag #Ehefüralle – wahlweise mit „für“ oder internationaler mit „fuer“ geschrieben – liegt im Twitter-Trend. Auch die organisierte Lesben- und Schwulen-Szene, ob der verlässlich und breit aufgestellte etwas alt-herrliche LSVD (Petition mit Campact) oder die quirlig-ideenreichen Marketing-Yuppies von Enough is Enough (Mein JA habt ihr), ergeht sich in Eheaktivismus.

Die Politik muss sich bewegen

Den Ball ins Rollen brachte die Gleichstellungsbeauftragte des Bundes Christine Lüders. Sie forderte gleich nach dem irischen Votum, die Abstimmung über die #Ehefüralle im Bundestag freizugeben. Zu Recht wies sie darauf hin:
Das Recht auf Heirat für Lesben und Schwule ist ein Menschenrecht – das gehört nicht in die Parteipolitik.

Die Grünen im Schlepptau mit der Linken gratulierten der Grünen Insel als erste und forderten gleich, die Eheöffnung in Deutschland. Von der Bundes-SPD kam bislang nur wenig bis Halbherziges. Den Schwarzen Peter schieben die sozialdemokratischen Granden dabei natürlich CDU/CSU in die Schuhe. Von wegen 100% Gleichberechtigung wie vor der Wahl vollmundig versprochen. In Zahlen ausgedrückt sind  23 Änderungen von etwa 150 nötigen, gerade einmal 15% Gleichberechtigung. Die SPD-Ministerpräsidentinnen Kraft (NRW) und Dreyer (Rheinland-Pfalz) äußerten sich mutiger zu Wort. Und die Boygroup von der FDP sitzt derweil sicher feixend im stillen Kämmerlein und freut sich, dass die größere SPD in der Koalition an ihrer Stelle die Prügel bezieht.

Breite Unterstützung von gesellschaftlichen Gruppen

Peu a peu reihen sich auch Promis wie Anne Will, Caroline Peters, Otto Waalkes, Axel Prahl oder Maybrit Illner in die Reihe der Unterstützter_innen ein. Publizistin Carolin Emcke bringt es im aktuellen Spiegel auf den Punkt:

Warum reicht es nicht, einmal zu erklären, die Würde des Menschen ist unantastbar? Warum muss dann noch jahrhundertelang geklärt werden, wer alles als Mensch zählt?

Wie einst Hillary Clinton zeigt Emcke deutlich auf: Es geht um eine Menschenrechtsfrage, nicht um religiöse Befindlichkeiten oder unbestimmte Bauchgefühle. Da scheint es an der Zeit, die ColognePride-Kampagne 2012 „Ja, ich will!“ wieder heraus zu kramen – seinerzeit oft spöttisch als eine der vielen zu unpolitischen CSD-Kampagnen kritisiert. Aber einfacher und passender lässt sich das Votum #Ehefüralle nicht ausdrücken.

Aus anderen Ländern kennen wir sie längst die kurzen emotionalen Slogans, die weltweit Beachtung finden. Die Französ_innen gingen für die Marriage pour Tous auf die Straße, in den USA kommen täglich neue Gesichter zur NoH8-Kampagne hinzu. Und die Ir_innen stimmten nicht etwa für die Homo-Ehe, sondern sie gaben ihre Stimme deutlich für #VoteYes und #marriageequality ab. Der Begriff Homo-Ehe suggeriert ein eigenes Institut, eigene Rechte und eigene Formen für Lesben und Schwule. Es geht aber darum, die bislang in Deutschland einem Mann und einer Frau vorbehaltene Ehe, auf die Verbindung zwischen zwei Personen, unabhängig vom Geschlecht, auszuweiten.

[youtube]https://youtu.be/-HXLH-J97Uk[/youtube]

Ganz aktuell erschien auf Spiegel Online ein Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Initiiert von zwei Berliner Aktivisten fordern 150 Prominente sowie Bürger_innen aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen mit ihrer Unterschrift dazu auf, die Abstimmung im Bundestag über die Öffnung der Ehe dem Gewissen der Abgeordnete_n zu überlassen und den Fraktionszwang auszusetzen. Auch hier kann eine Online-Petition unterzeichnet werden.

Frau Merkel, Sie haben Post.

Posted by SPIEGEL ONLINE on Montag, 1. Juni 2015

Der letzte gemeinsame Kampf für gleiche Rechte?

Über eines sollten wir uns allerdings im Klaren sein. Die #Ehefüralle wird der letzte große gemeinsame Kampf sein, den die vielbeschworene LSBTIQ-Minderheit führt. Auch wenn sich manche Aktivisten-Kehle – aus guten Gründen (s. überkommene Eheprivilegien usw.) – nur mühsam das „JA“ entringen wird. Am Ende ist auch der hör- und sichtbarste Teil der Eheprivilegien-Gegner dabei. Bei allen anderen Themen, die auf der Agenda stehen bleiben, wie die Rechte von Frauen, Flüchtlingen, Trans*- und Inter*personen, Rassismus oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wird es schwer werden, den gefühlt immer größer werdenden Teil der konservativen bis rechtspopulistischen Schwulen, aber auch Lesben, mitzunehmen. Doch die waren noch nie die Vorreiter_innen gesellschaftlichen Wandels. Hätten wir auf sie gewartet, wären wir heute noch nicht dort, wo wir gerade sind.

Fotocredit: © Jess Doenges

Voting-Tipp

RTL Aktuell lässt die User_innen im Netz über die #Ehefüralle voten. Die Ergebnisse werden natürlich wie bei allen Online-Votings nicht representativ sein, aber derzeit liegen die Gegner der Ehe vorn. Sie mobilisieren offensichtlich massiv. Wer dem etwas entgegensetzen möchte, kann hier mit voten:

rtl.de: voting-homo-ehe-in-deutschland-ja-oder-nein

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