phenomenelle

Allgemein

LITFEST homochrom

Viktorianisches Trans-Drama: Albert Nobbs

Großartiges Period Drama mit Glenn Close

Die Hollywood-Ikone steht als Hotelbutler vor großen Frauenproblemen. Anschauen lohnt sich!

Hotelpersonal Albert Nobbs

Albert Nobbs ist Butler mit Leib und Seele. An beidem aber leidet Albert: an einem Leib, dessen weibliche Formen der Außenwelt um keinen Preis erkennbar sein dürfen, und an einer verletzten Seele, die schon seit vielen Jahren keinen unverfälschten Bezug zu ihrem Ich mehr hat. Ob sie eine als Mann verkleidete Frau ist oder ein als Mädchen geborener Mann, mag Albert selbst kaum zu sagen. Wem sollte sie es auch sagen? Die Mitarbeiter in dem feinen Dubliner Hotel kennen Albert nur als peinlich korrekten, sehr stillen und zurückgezogenen Kollegen, der niemals die Contenance verliert und der weder Familie hat noch Sozialleben. Der Inhaberin fällt neben Alberts Schweigsamkeit vor allem seine Sparsamkeit auf: Jeder Penny wird aufbewahrt und versteckt – für die Zeit, wenn für Albert endlich das wirkliche Leben beginnt. Und das soll ein Leben zu zweit sein, so viel steht fest. Denn nur so lässt sich der Traum vom eigenen kleinen Tabakgeschäft verwirklichen, hinter dessen Ladentheke Albert nur noch eines fehlt: eine Ehefrau.

Flohbedingte Heiratspläne

Hubert und Albert auf Alberts BettDa taucht eines Tages Anstreicher Hubert Page im Hotel auf. Als Albert durch einen flohbedingten Zwischenfall entdeckt, dass Hubert nicht nur über ebenfalls beträchtliche sekundäre Geschlechtsmerkmale, sondern auch über eine liebende Gattin verfügt, überwindet sie sich und spricht zum ersten Mal mit jemandem offen über sich und ihr Dilemma. Bald ist sie Feuer und Flamme für eigene Heiratspläne: Was Hubert hat, will sie auch. Am liebsten mit dem reizend blonden Stubenmädchen Helen, das sie in ihren Träumen schon im Hinterzimmer des gemeinsamen Tabakladens am Kaminfeuer sieht. Das Drama ist vorprogrammiert …

Erstes Transgender-Period-Drama

Dass Albert Nobbs’ berührende Geschichte sich im Irland des späten 19. Jahrhunderts abspielt, macht sie um so reizvoller – sie kann wohl als das erste Period Drama mit Transgender-Thematik gelten. Denn natürlich gab es schon immer Menschen, die gegen das biologisch angeborene Geschlecht lebten. Das erzkatholische Irland der viktorianischen Ära war dafür sicher kein leichtes Szenario. Geschlecht war absolut, weibliche Selbstbestimmung undenkbar. Alleinstehende Frauen konnten nicht einfach anständig ihren Lebensunterhalt verdienen. Sie waren im sozialen Kontext geächtet; und wenn keine Familie die „alte Jungfer“ aushielt, blieben ihr als Alternativen nur die gesundheitsbedrohliche Schufterei im niederen Dienst oder die Prostitution. Dieser Tatsache ist sich Albert, der ihr weiblicher Körper auch aus anderen Gründen fremd ist, nur allzu bewusst.

Chapeau für Glenn Close

Albert serviert.Die seelische und körperliche Zerrissenheit dieser ganz besonderen Rolle bringt die großartige Glenn Close zwischen Erstarrung und Verunsicherung perfekt auf die Leinwand. Hinter ihrer vollendet steifen Maske blitzen tiefe Sehnsucht und blanke Panik nur momentweise hervor – die Oscar- und Golden-Globe-Nominierungen als beste Hauptdarstellerin sind mehr als verdient. Close hatte Albert Nobbs schon 1982 auf New Yorker Bühnen verkörpert; seitdem war ihr die Verfilmung ein ernstes und ausdauerndes Anliegen. Ihre Hingabe ist in dieser späten Verfilmung einer zeitgenössischen irischen Erzählung bei jeder Szene zu spüren. Chapeau vor dieser Leistung! Janet McTeer steht ihr als trotziger Lebenskünstler Hubert Page in nichts nach – allein wegen dieser zwei Frauen sollte sich keine diesen Film entgehen lassen. Auch die anderen Darstellerinnen überzeugen, vor allem Pauline Collins als gierige Hotelchefin und Mia Wasikowska als überforderte junge Helen.

Nie gekannte Zweisamkeit

Albert und Helen sitzen auf einer Parkbank.Dass Alberts Begehren lesbischer Natur ist, steht nicht im Vordergrund, weder für die Figur noch für den psychologischen Tauchgang dieses Gender-Dramas. Albert will die Anerkennung einer Gesellschaft, die ihr diese nur als Mann gewähren wird. Und sie sehnt sich nach der Geborgenheit einer Zweisamkeit, die sie nie kannte – die körperliche Komponente verschwimmt dabei eher in posttraumatischem Stress. Dass sie sich als Objekt ihrer Sehnsucht die grundfalsche Adressatin aussucht, kommt auch mancher Zuschauerin des 21. Jahrhunderts sicher bekannt vor. Ebenso wie die Gewalt, die ein nach Autonomie strebender Sonderling wie Albert scheinbar so unvermeidlich heraufbeschwört.

Der von Rodrigo Garcia 2011 inszenierte, vielfach ausgezeichnete Film läuft Ende September 2013 erstmals in deutscher Fassung in ausgewählten Kinos und auf Filmfesten sowie bei der Filmreihe homochrom. Am 17. Oktober erscheint der Film auf DVD und Blu-ray.

Verlosung zum DVD-Start

Achtung: Zum DVD-Start von Albert Nobbs verlost phenomenelle zwei DVDs des Films mit deutscher und englischer Tonfassung und etlichen Extras. Das Gewinnspiel folgt im Oktober – nicht vergessen!

Filmplakat Albert NobbsAlbert Nobbs, USA 2011, 113 Minuten
Regie: Rodrigo Garcia
Darsteller: Glenn Close, Janet McTeer, Mia Wasikowska, Pauline Collins, Aaron Johnson, Jonathan Rhys Meyers

Die homochrom Termine in Dortmund, Düsseldorf, Essen, Köln sind am 15., 16., 18. und 28.10.2013
Limitierter Kinostart am 26.09.2013
DVD Blu-ray und VOD ab 17.10.13
Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch (5.1 DD)
Untertitel: Deutsch, Englisch

Fotos: mm filmpresse

 

One thought on “Viktorianisches Trans-Drama: Albert Nobbs”

  1. Anke Kropp sagt:

    Eine grossartige Leistung von Glenn Close und ein sehr bewegendes Thema!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Anzeige


Anzeige LITfest homochrom 06.–08.08.2021

visuelle

  • Fernsehinfos vom 9. bis zum 22. März 2024
  • Fernsehinfos vom 24. Februar bis zum 8. März 2024
  • Radiotipp: Die Linguistin Luise F. Pusch im Gespräch
  • Buchtipp: Daniela Schenk: Mein Herz ist wie das Meer
  • Buchtipp: Elke Weigel – „Wind der Freiheit“
  • Buchtipp: „Riss in der Zeit“ von Ahima Beerlage
  • Filmtipp zum 75. Geburtstag von Ilse Kokula
  • Ilka Bessin: Abgeschminkt – Das Leben ist schön, von einfach war nie die Rede
  • Interview und Verlosung zu 25 Jahre „Krug & Schadenberg“
  • Der Schottische Bankier von Surabaya: Ein Ava-Lee-Roman
  • CD-Review: LAING sind zurück mit neuem Album
  • Interview: „Diversity muss von der Führung kommen“
  • 5 Serien für Fans starker TV-Charaktere …
  • „Danke Gott, dass ich homo bin!“ – Filmreview von „Silvana“
  • Buchrezi: „Lesbisch. Eine Liebe mit Geschichte“
  • Rückblick auf die NorthLichter
  • DVD-Rezi: „Call My Agent“ – Staffel 2
  • Berlin: Etwas andere Pride Parade am 23. Juni 2018 …
  • Buchrezi: Carolin Hagebölling „Ein anderer Morgen“
  • Ausstellungseröffnung „Lesbisches Sehen“ im Schwulen Museum Berlin
  • „The Einstein of Sex“ – Stück über Magnus Hirschfeld
  • „Here come the aliens“ – Das neue Album von Kim Wilde
  • Album-Review: Lisa Stansfield „Deeper“
  • Theater X: Deutschlands vergessene Kolonialzeit