phenomenelle

Allgemein

Querverlag

Das Leben auf „Downton Abbey“ um die Jahrhundertwende

BuchcoverLadyAlmina„Lady Almina und das wahre Downton Abbey“: Ausschnitt aus dem Leben der fünften Countess of Carnarvon und ihrer Zeit auf Highclere Castle, erzählt von der aktuellen Residentin des noblen Landsitzes

Lady Almina ist Millionenerbin, Mäzenin, Schlossherrin und „It-Girl“ der Edwardianischen High Society. Heute gelten ihr Wohnsitz und ihre Familie als Inspiration für die fiktive Adelsfamilie Crawley, mit deren Schicksal „Downton Abbey“-Fans weltweit mitfiebern. Doch Almina Victoria Maria Alexandra, geborene Wombwell, ist mehr als nur Vorlage für ein erfolgreiches Fernseh-Drama: 1876 als uneheliche Tochter des millionenschweren Bankiers Alfred de Rothschild geboren, war nicht vorauszusehen, dass sie einmal Herrin von Highclere Castle werden würde, dem Landsitz der Earls of Carnarvon und heutigen Schauplatz von „Downton Abbey“. Ihre Verbindung mit George Edward, dem fünften Earl of Carnarvon – sie reich und hübsch, er adelig und abenteuerlustig – erwies sich dann jedoch als der Stoff, aus dem High Society-Märchen sind. Dazu trug die verschwenderische, lebenslustige Almina als Gastgeberin rauschender Feste wesentlich bei.
Im Ersten Weltkrieg funktionierte sie das Anwesen zu einem Krankenhaus um und pflegte verwundete Soldaten, die sich in den Parkanlagen erholen und genesen konnten.
Nach dem Krieg erlangte ihr Mann Berühmtheit als Partner und Förderer des Archäologen Howard Carter, mit dem der Amateur-Ägyptologe 1922 das Grab des Pharaos Tutanchamun entdeckte. Auch hier spielte Lady Alminas Vermögen eine wichtige Rolle. Der Earl of Carnarvon starb nur wenige Monate später in Kairo – Geburtsstunde für die Legende um den „Fluch des Pharaos“. Dennoch finanzierte Almina die Ausgrabungen auch weiterhin. Ihre Tochter Evelyn, die den Vater auf seinen Forschungsreisen begleitete, war Vorbild für die Figur der Evelyn Carnahan im Abenteuerfilm „Die Mumie“ (1999), porträtiert von Rachel Weisz. Geschichte und Geschichten dieser schillernden Familie bis Mitte der 1920er erzählt Gräfin Fiona von Carnavon in „Lady Almina und das wahre Downton Abbey – Das Vermächtnis von Highclere Castle“.

„Lady Almina“ ist keine objektive Biographie und erhebt keinen Anspruch auf wissenschaftliche Genauigkeit, nicht mal auf eine ausgewogene Berichterstattung der immerhin 92 Lebensjahre Alminas; hier schreibt keine Historikerin, sondern die Countess auf Highclere Castle selbst. Durch ihre Heirat mit George Herbert, dem achten Earl of Carnavon, wandelt sie in den Fußstapfen ihrer Heldin, der Urgroßmutter ihres Mannes. Hat sie Interesse daran, ihre Familie nur im besten Licht darzustellen? Mit Sicherheit. Wer sich allerdings nicht daran stört, dass die Gräfin einen Hang zum Fabulieren hat und die zweite Lebenshälfte der tatkräftigen Erbin nahezu ausblendet, findet Lesevergnügen auf knapp 300 Seiten. Mit der detailverliebten Beschreibung der Hochzeit von Almina und dem Grafen zieht die Autorin ihre Leserinnen von der ersten Seite an ins Geschehen – so ausladend sind die Schilderungen, dass einem vor lauter Würdeträgern und Gesellschaftsdamen bald der Kopf schwirrt und man sich die prächtig geschmückte Kirche mit ihren illustren Gästen und der exquisit gewandeten Braut wunderbar vorstellen kann.

Der vollmundige Titel mag etwas irreführend sein – immerhin dient Highclere Castle lediglich als Kulisse für die Emmy-ausgezeichnete Fernsehserie, aber „Lady Almina“ können auch Leserinnen genießen, die das Kostümdrama nicht verfolgen: als opulentes, liebevoll entworfenes Gemälde der ersten Lebenshälfte einer außergewöhnlichen Frau. Auch der Alltag des Dienstpersonals, ausführliche Beschreibungen des Herrenhauses und der dort stattfindenden Gesellschaften sowie zeitgenössischer Klatsch kommen nicht zu kurz. Dabei ist das Buch so kurzweilig geschrieben, dass es sich sowohl für den Strandkorb eignet als auch, um sich morgens in der U-Bahn in ein England längst vergangener Tage zu träumen.

Katrin Heienbrock

Gräfin von Carnarvon: „Lady Almina und das wahre Downton Abbey. Das Vermächtnis von Highclere Castle“

277 Seiten, mvg Verlag, 2013, 17,99 Euro

Querverlag

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Anzeige


Anzeige LITfest homochrom 06.–08.08.2021

visuelle

  • Fernsehinfos vom 9. bis zum 22. März 2024
  • Fernsehinfos vom 24. Februar bis zum 8. März 2024
  • Radiotipp: Die Linguistin Luise F. Pusch im Gespräch
  • Buchtipp: Daniela Schenk: Mein Herz ist wie das Meer
  • Buchtipp: Elke Weigel – „Wind der Freiheit“
  • Buchtipp: „Riss in der Zeit“ von Ahima Beerlage
  • Filmtipp zum 75. Geburtstag von Ilse Kokula
  • Ilka Bessin: Abgeschminkt – Das Leben ist schön, von einfach war nie die Rede
  • Interview und Verlosung zu 25 Jahre „Krug & Schadenberg“
  • Der Schottische Bankier von Surabaya: Ein Ava-Lee-Roman
  • CD-Review: LAING sind zurück mit neuem Album
  • Interview: „Diversity muss von der Führung kommen“
  • 5 Serien für Fans starker TV-Charaktere …
  • „Danke Gott, dass ich homo bin!“ – Filmreview von „Silvana“
  • Buchrezi: „Lesbisch. Eine Liebe mit Geschichte“
  • Rückblick auf die NorthLichter
  • DVD-Rezi: „Call My Agent“ – Staffel 2
  • Berlin: Etwas andere Pride Parade am 23. Juni 2018 …
  • Buchrezi: Carolin Hagebölling „Ein anderer Morgen“
  • Ausstellungseröffnung „Lesbisches Sehen“ im Schwulen Museum Berlin
  • „The Einstein of Sex“ – Stück über Magnus Hirschfeld
  • „Here come the aliens“ – Das neue Album von Kim Wilde
  • Album-Review: Lisa Stansfield „Deeper“
  • Theater X: Deutschlands vergessene Kolonialzeit